Außenminister Sebastian Kurz und Islamwissenschafter Ednan Aslan 2015 bei einem Treffen zu islamischen Kindergärten in Wien. Seither sorgt die Studie immer wieder für Aufregung.

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In der aktuellen Ausgabe des "Falter" wird Professor Ednan Aslan, Institutsleiter am Institut für Islamisch-Theologische Studien der Universität Wien, von Florian Klenk vorgeworfen, im Februar 2016 eine von politischer Seite frisierte Studie über islamische Kindergärten vorgelegt zu haben. Klenk liegt ein Entwurf der Studie in Form geleakter Word-Dokumente vor. Aus diesen Dokumenten ist ersichtlich, dass Beamte im Integrationsministerium den Text im Korrekturmodus bearbeitet haben. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Eingriffe soll es sich um Stil- und Rechtschreibkorrekturen handeln, einige Eingriffe erwecken jedoch den Anschein, als sei hier manipulativ der Inhalt der Studie selbst ins Gegenteil verkehrt worden. Seither gehen die Wogen hoch.

Schlechte Optik, begrüßenswerte Aufdeckungsarbeit

Um eines vorwegzunehmen: Die Optik ist schlecht. Selbst wenn die Beamten nur Rechtschreibung und Stil korrigiert hätten, würde sich die Frage stellen, ob eine solche Arbeit nicht richtiger in die Hände eines unabhängigen Lektorats gehört. Andererseits jedoch ist der Vorgang an sich ein üblicher: Eine Studie wird dem Auftraggeber überreicht. Dieser überprüft sie inhaltlich, gegebenenfalls auch juristisch und macht Anmerkungen. In der Regel geht es dabei um Verständnisfragen, um die Bitte, eine Stelle genauer auszuarbeiten, um Belege und Quellenangaben oder auch darum, auf Fehler, Verwechslungen oder Wiederholungen hinzuweisen. Das erfolgt via E-Mail, in Telefonaten oder auch in gemeinsamen Meetings. Es ist Sache des Autors/der Autorin, diese Anmerkungen zu beurteilen und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen. Insofern unterscheidet sich diese Zusammenarbeit nicht wesentlich von jener mit einem Lektor oder einer Lektorin. Was bei einer wissenschaftlichen Studie selbstverständlich nicht zulässig ist, sind Veränderungen der Ergebnisse, die nicht durch die erhobene Datenbasis gedeckt sind. Ebensolche behauptet Klenk in seinem Artikel.

Wissenschafterinnen und Wissenschafter müssen sich auf die Ergebnisse von Studien, insbesondere von universitären Studien, verlassen können. Die Empirie einer solchen Studie muss unabhängig erhoben worden sein, und die Ergebnisse müssen diese Daten abbilden. Wenn es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten, politische Einflussnahme oder Ähnliches gibt, gehört es zur Arbeit von Journalisten, dem nachzugehen und die Öffentlichkeit zu informieren. Von daher ist Aufdeckungsarbeit wie jene von Klenk begrüßenswert.

Kein "Original"

Aber auch journalistische Arbeiten dürfen selbstverständlich hinterfragt werden. In seinem Artikel bezeichnet Klenk einen ihm vorliegenden Entwurf der Kindergartenstudie konsequent als "Original" ("Originalversion", "Originalstudie", "Originalfassung" et cetera) und suggeriert damit, hier sei ein Original nachträglich verändert worden – was man gemeinhin als Fälschung bezeichnet. Wenn aber der Begriff "Original" bei einer Studie überhaupt Sinn macht, dann einzig für die vom Autor freigegebene und veröffentlichte Fassung. Alles andere sind Entwürfe. Ein solcher Entwurf wurde von Beamten im Integrationsministerium bearbeitet, kein Original. Auch Journalisten bezeichnen jene Fassung ihres Artikels, die vor der Veröffentlichung noch überarbeitet wird, nicht als Originalartikel. Aber das nur zur Begriffsklärung.

Positive Tugenden

Laut Klenk hieß es im Entwurf auf Seite 101, muslimischen Eltern seien "Werte […] wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit, Transparenz der Regeln [besonders wichtig]." Als Beweis druckt Klenk das Faksimile ab, in dem die redigierte Stelle zu sehen ist und in der die positiven Tugenden gänzlich gestrichen wurden. Zudem wurde vor das Wort Werte "islamische" gesetzt, sodass es an dieser Stelle in der veröffentlichten Studie nunmehr heißt, muslimischen Eltern seien "islamische Werte [besonders wichtig]".

Mit dieser Darstellung im Kontext des Artikels vermittelt Klenk den Eindruck, die positive Erstfassung mit der Aufzählung der Tugenden sei den Beamten im Ministerium ein Dorn im Auge gewesen und daher auf "islamische Werte" geändert worden. Aber die Aufzählung dieser positiven Tugenden findet sich sehr wohl in der veröffentlichten Fassung, und zwar wortwörtlich. Sie ist also mitnichten gestrichen worden, sondern findet sich auf Seite 83: "Diese Erzieherinnen betonen die Stellung der Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit, Transparenz der Regeln."

Der einzige Unterschied besteht, wie leicht zu sehen ist, darin, dass hier statt "Muslimische Eltern" "Erzieherinnen" steht und hier also nicht die Eltern, sondern die Erzieherinnen in islamischen Kindergärten positiv dargestellt werden. Wurde hier vielleicht versehentlich ein Zitat zunächst den Eltern statt den Erzieherinnen zugeordnet und nun korrigiert? Das ließe sich durch die vorhandenen Interviews mit Eltern und Erzieherinnen leicht überprüfen. Oder tauchte das wortgleiche Zitat, aus welchem Grund auch immer, ursprünglich fälschlich zweimal im Text auf, was bei der Korrektur auffiel? In jedem Fall stellt sich die Frage, warum Klenk nicht darauf hinweist, dass sich die Textpassage an anderer Stelle findet, sondern schreibt: "Die Aufzählung der Tugenden wird einfach gestrichen."

Vorwürfe gehen zu weit

Wie gesagt, die redigierten Stellen machen eine schlechte Optik – aber von einer frisierten Studie zu reden, die nur das Ziel habe, Muslime in schlechtem Licht darzustellen, von einem Gefälligkeitsgutachten für Minister Kurz, oder was auch immer jetzt durch die sozialen Medien geistert, geht zum augenblicklichen Zeitpunkt zu weit.

Aslan selbst hat zu den Vorwürfen Stellung genommen. Er stehe persönlich hinter jedem Punkt und Komma in seinem Bericht, und alle Änderungen seien mit ihm abgesprochen worden. Die Universität Wien hat unterdessen eine Kommission eingerichtet, die die von Klenk erhobenen Vorwürfe prüfen wird. Dabei wird es auch um die Frage gehen, ob die Darstellung in der veröffentlichten Endfassung sich mit den erhobenen Daten deckt oder diesen widerspricht – denn nur im zweiten Fall kann von einer Manipulation des Ergebnisses der Studie gesprochen werden. Das Resultat dieser Prüfung, über die von der Universität zeitnah berichtet werden wird, sollte abgewartet werden. (Heiko Heinisch, 10.7.2017)