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Großreinemachen auf der Sternschanze.

Foto: REUTERS/Fabian Bimmer

Hamburg – Nach den schweren Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Deutschland richtet die Hamburger Polizei eine Sonderkommission ein. Symbolhafte Reaktionen wie Rücktrittsforderungen würden nicht weiterhelfen, sagte Innensenator Andy Grote am Montag dem Sender NDR Info. Die Ursachen für die Gewalt lägen tiefer.

"Wir müssen uns schon damit beschäftigen, wo kommt diese neue Qualität her? Wer hat auch dazu beigetragen, wer ist verantwortlich dafür? Wie kriegen wir die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen?" Es gehe auch um die Strukturen und um die Frage, wer die Gewalttäter nach Hamburg eingeladen, beherbergt und bei ihren Taten gedeckt habe, so Grote. Ein Polizeisprecher konnte noch keine Angaben zur Stärke oder dem Namen der Kommission machen. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte am Wochenende mehrfach harte Strafen für Gewalttäter gefordert.

Polizisten, die bei den Krawallen dabei waren, berichteten von Angst und dem Gefühl, allein gelassen zu werden. "Das ist das Schlimmste, was ich als Bereitschaftspolizist erlebt habe", zitierte die Gewerkschaft der Polizei etwa einen Beamten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Ausrüstung der Polizisten müsse verbessert und die Zahl der bei den Sicherheitsbehörden arbeitenden Menschen erhöht werden.

Dutzende Autos angezündet

Im Schanzenviertel war es am Rande des Gipfels um das linksautonome Zentrum Rote Flora zu Plünderungen und Gewalttaten gekommen. Rund 500 Polizisten wurden verletzt. Auch in Altona brannten Dutzende Autos. Am Montag ließen sich Anrainer in von der Polizei eingerichteten Infomobilen helfen, Anzeige zu erstatten.

Der sozialdemokratische Bürgermeister Olaf Scholz wies Rücktrittsforderungen der Hamburger CDU zurück. Ihm wird Verharmlosung der Gefahren im Vorfeld vorgeworfen. Scholz forderte Konsequenzen für die Anmelder gewalttätig ausgearteter Demonstrationen. Die künftige Existenz des Linken-Zentrums Rote Flora stellte er infrage. "Auch das muss diskutiert werden", sagte er dem "Hamburger Abendblatt".

51 Tatverdächtige in Untersuchungshaft

Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen sitzen nach Angaben der Hamburger Staatsanwaltschaft 51 Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Bei den Beschuldigten handle es sich überwiegend um junge Männer unter 30 Jahren. Neben zahlreichen Deutschen säßen auch Staatsbürger aus Frankreich, Italien, Spanien, Russland, den Niederlanden und der Schweiz in Haft.

Die Vorwürfe gegen die Verhafteten lauteten unter anderem auf schweren Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung.

Einem 27-jährigen Deutschen werde versuchter Mord vorgeworfen. Er soll mit einem Lasergerät den Piloten eines Polizeihubschraubers gezielt geblendet haben. Dabei soll er sogar den möglichen Absturz des Helikopters in Kauf genommen haben.

Die Staatsanwaltschaft habe insgesamt 85 Haftbefehle beantragt. In den Fällen, in denen keine Haft angeordnet worden sei, prüfe die Behörde die Einlegung von Rechtsmitteln, hieß es.

Keine Gipfel mehr

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat die Gewalttäter bei den Krawallen zum G-20-Gipfel in Hamburg mit Terroristen verglichen. "Die marodierenden Banden (...) können für sich keinerlei politische Legitimation in Anspruch nehmen", sagte der SPD-Chef am Montag in Ingolstadt. "Das hat Züge von Terrorismus."

Justizminister Heiko Maas (SPD) will Gipfeltreffen wie jenes der G20 künftig nicht mehr in deutschen Großstädten austragen. "In einer deutschen Großstadt wird nie wieder so ein Gipfel stattfinden", sagte er der "Bild"-Zeitung am Montag.

Innenminister De Maiziere betonte hingegen, auch künftig werde es Gipfelveranstaltungen in deutschen Großstädten geben – alles andere sei ein Kapitulation vor Gewalttätern.

Eine Sprecherin des deutschen Justizministeriums verwies auf Anfrage darauf, dass SPD-Chef Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) vor kurzem eine stärkere Anbindung der G20 an die UN angeregt haben. Sie hatten in einem Strategiepapier unter anderem vorgeschlagen, die G20-Treffen künftig regelmäßig am UN-Sitz in New York abzuhalten.

Kanzleramtschef Peter Altmaier kündigte indes ein härteres Vorgehen gegen Linksextreme an. Auch die Schließung des Hamburger Autonomenzentrums Rote Flora "wird zu prüfen sein", sagte Altmaier am Montag der "Bild"-Zeitung. Dort seien "Beweise für Straftaten in großer Menge festgestellt worden". "Wir dürfen keine rechtsfreien Räume dulden", so Altmaier. Kürzungen bei Programmen gegen Linksextremismus sollten zurückgenommen werden. (red, APA, 10.7.2017)