Katarína Staroňová mit der grünen Abgeordneten Judith Schwentner (rechts): große Probleme im Krankheitsfall.

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Demo im Mai in Wien: Die Grenzen zwischen Pflege und Betreuung daheim verschwimmen oft.

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Vor sechs Jahren kam Katarína Staroňová nach Österreich. Als "Personenbetreuerin", im Volksmund auch "24-Stunden-Pflege" genannt. Als eine jener Frauen, die österreichische Familien so dringend brauchen, um ihre hochbetagten Angehörigen statt im Heim daheim gut betreut zu wissen. Katarína kam frisch aus Liptovský Mikuláš in der Nordslowakei, und das Erste, was sie tat, war: zahlen, zahlen, zahlen.

Erst einmal die slowakische Agentur: 70 Euro Einschreibegebühr, 400 Euro Mitgliedsbeitrag in der Slowakei und dann noch einmal 350 Euro für sechs Monate, um die österreichische Partneragentur zufriedenzustellen. Erst dann wurde sie vermittelt. Noch heute erinnert sich Katarína Staroňová an das Gefühl der Ohnmacht, das sie damals hatte: "Die Verträge sind extrem kompliziert abgefasst, das schaut sich weder die Betreuerin selbst noch die Familie des Patienten genau an." Damals habe sie in den ersten Wochen nur geweint, zehn Kilo abgenommen, nicht mehr schlafen können. "Es war ein fremdes Land, ich konnte die Sprache noch nicht perfekt, es war das reinste Chaos."

Jenseits der Legalität

Nur mit Mühe konnte sich Katarína von ihrer slowakischen Agentur lösen, sie arbeitete weiter als Personenbetreuerin und machte unterschiedliche, oft ähnlich frustrierende Erfahrungen. Daneben schloss sie ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin ab. Im Zuge dessen sei sie auch draufgekommen, "wie wenig der Job der Personenbetreuerin das Betreuen umfasst und wie viel Pflegeanteil eigentlich dabei ist".

Viele ihrer slowakischen Kolleginnen glaubten nämlich zu Beginn, dass man "feinen österreichischen Damen den Kaffee machen und vorlesen" müsse. Die Realität sei eine andere: Vom Füttern angefangen bis hin zum Setzen von Insulinspritzen müssten Personenbetreuerinnen alles tun – und befänden sich damit in Wahrheit jenseits der Legalität. Es falle nur selten auf, da alle Beteiligten ein Interesse daran hätten, dass die Betreuung reibungslos funktioniere – und wirksame Kontrollen gebe es kaum.

Probleme mit dem Vertrag

Weil die Problematik komplex und die Rechtslage verwickelt ist, hat Katarína Staroňová im Oktober 2015 die gemeinnützige Organisation "Institut für Personenbetreuung" gegründet. Sie versteht sich als Lobbying-Plattform für 24-Stunden-Betreuerinnen und hilft etwa, wenn Probleme mit dem Vertrag auftreten, bei Behördenwegen oder wenn die Betreuerinnen krank werden und die Versicherungssysteme nicht kompatibel sind. Betroffen sind immerhin rund 30.000 Slowakinnen – und noch einmal so viele Rumäninnen –, zumeist zwischen 40 und 45 Jahre alt, die vor allem hochbetagte Menschen in Österreich pflegen.

Die Betreuerinnen, nach österreichischem Recht allesamt "selbstständig", würden in Wahrheit von niemandem vertreten: "Die Wirtschaftskammer versteht sich als Vertretung für die Agenturen." Die seien aber zumeist das Problem. Nur eine Minderheit arbeite seriös, die meisten machten gute Gewinne auf Kosten der Frauen. So sei es durchaus üblich, dass Betreuerinnen nach kurzer Zeit "abgezogen" und zu einer anderen Familie vermittelt werden, weil die Agentur bei jedem Wechsel doppelt verdient – an der Betreuerin selbst und am Betreuten beziehungsweise an dessen Familie. Wechselt die Betreuerin dagegen von sich aus die Agentur und nimmt "ihre" Familie mit, drohen Pönale bis zu 20.000 Euro.

Kleingedrucktes

Das stehe alles, unter "ferner liefen", sehr kleingedruckt in den Verträgen, sagt Staroňová. Der Netto-Stundenlohn der Frauen dagegen beträgt oftmals nur acht Euro, davon muss noch die Sozialversicherung bezahlt werden, die dann, im Notfall, nicht einmal kompatibel sei. Zu Beginn dieses Jahres hat sie in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der grünen Sozialsprecherin Judith Schwentner Alarm geschlagen – mit Erfolg: Teilweise zeigen sich die Krankenkassen seither kooperativer, berichtet Staroňová.

Sie erzählt aber auch von einer slowakischen Betreuerin, die an Pankreaskrebs erkrankte und in ihren letzten Monaten nicht einmal Invaliditätspension bekam, weil die Kassen uneinig waren, ob nun das österreichische System gilt (Anspruch nach sechs Monaten) oder das slowakische (Anspruch nach einem Jahr).

Komische Anrufe

Die Arbeit im Verein beschreibt Staroňová als "herausfordernd". Oft bekomme sie "komische Anrufe", zudem gebe es eine schwarze Liste von Betreuerinnen, die "Probleme" machten – eine andere Sichtweise von "sich wehren". Dennoch sei es absolut lohnend: "Bei den Slowakinnen hat sich bereits vieles verbessert." Oft helfe schon die Vernetzung via Facebook, die sie eifrig betreibt: "Wenn sich die Frauen absprechen, kann man sie nicht so leicht gegeneinander ausspielen." Der Konkurrenzdruck auf die Agenturen steige so, die Situation der slowakischen Betreuerinnen habe sich bereits stark verbessert.

Anders bei den rumänischen Frauen. Staroňová: "Da sind wir noch ganz am Anfang." (Petra Stuiber, 12.7.2017)