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Die Opfer von Missbrauch und Misshandlungen fordern Gerechtigkeit. Die Tiroler Opposition unterstützt sie bei der Forderung nach Verjährungsverzicht.

Foto: dapd / Katja Lenz

Innsbruck – Die Tiroler Landesregierung steht wegen ihres Umgangs mit Heimopfern weiter in der Kritik. Die Oppositionsparteien fordern die schwarz-grüne Koalition zu einem Verjährungsverzicht auf und verlangen ein Wiederaufrollen zu niedrig entschädigter Fälle. Das lehnen sowohl Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) als auch Soziallandesrätin Christine Baur (Grüne) ab.

Wie Der STANDARD berichtete, sinken die Entschädigungszahlungen für Misshandlungs- und Missbrauchsopfer aus Tiroler Landeseinrichtungen seit der Ressortübernahme durch Baur deutlich. Im Vergleich zu anderen Expertenkommissionen erkennt die des Landes Tirols durchschnittlich nur ein Drittel der üblichen Summen zu. Dabei hatte die erste vom Land eingesetzte Kommission empfohlen, mit mindestens 15.000 Euro zu entschädigen.

Keine garantierten Summen

Nachdem diese Experten durch eine neue Kommission ersetzt worden waren, sicherte Platter im August 2010 zu, sich an den Richtsätzen der kirchlichen Klasnic-Kommission orientieren zu wollen. Die entschädigt Opfer mit Summen zwischen 5000 und 25.000 Euro. Als Garantie, nicht weniger zu bezahlen, sei dies aber nie zu verstehen gewesen, heißt es dazu aus dem Büro des Landeshauptmannes.

Tatsächlich liegen viele Beträge in Tirol mittlerweile aber weit darunter. Wie etwa in einem dem STANDARD vorliegenden Fall eines ehemaligen Patienten der Innsbrucker Ärztin Maria Nowak-Vogl, der nach eigener Aussage als Kind drei Monate lang in deren Kinderbeobachtungsstation Medikamentenversuche und Misshandlungen über sich ergehen lassen musste. "Nach 14 Monaten Wartezeit hat man mir 300 Euro Entschädigung angeboten", erzählt der Mann, der anonym bleiben will. Sein Einspruch gegen diesen Bagatellbetrag liege seit Monaten unbeantwortet bei der Kommission des Landes Tirol.

Land verlangt Prozesskosten von Heimopfer

Einen anderen Fall betreut die Landtagsabgeordnete der oppositionellen Liste Fritz, Isabella Gruber. "Eine heute betagte Frau wurde in einer Landeseinrichtung massiv missbraucht und misshandelt. Mit 15 Jahren wurde sie nach einer Vergewaltigung im Heim schwanger, man zwang sie zur Abtreibung", schildert Gruber das Martyrium. Die Frau leide bis heute unter den Folgen des Erlebten, erklärt die als Therapeutin tätige Abgeordnete. Tirol bot 15.000 Euro Entschädigung an. Die Dame klagte daraufhin auf eigene Faust und verlor mangels Zeugen und wegen Verjährung in erster Instanz: "Nun verlangt das Land von ihr die Prozesskosten in der Höhe von 20.000 Euro."

Dieses Vorgehen sei "beschämend", sagt Gruber, die auf einen Verjährungsverzicht seitens des Landes pocht: "Niemand bezweifelt, dass die geschilderten Vorfälle so passiert sind. Warum steht man dann nicht auch dazu?" Zudem verlangt sie nach einem Wiederaufrollen jener Fälle, die zu gering entschädigt wurden: "Es geht hier nicht um große Summen oder Menschen, die sich bereichern wollen. Es geht um Anerkennung."

Auch die Tiroler SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik pocht auf einen Verjährungsverzicht des Landes: "Man sollte das durchjudizieren." FPÖ-Obmann Markus Abwerzger vertritt selbst einige ehemalige Opfer vor Gericht. Er plädiert auf eine Prüfung des Verjährungsverzichts im Einzelfall und prangert "soziale Kälte" der Landesregierung an. Er verweist auf die Möglichkeit, mit den einzelnen Opfern Vergleiche zu schließen. (Steffen Arora, 12.7.2017)