Zweimal am Tag werden die Schafe von Lukás Zvara auf der Alm gemolken, um aus der Milch den traditionellen Brimsen herzustellen.

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Brimsen hat eine ähnliche Konsistenz wie Bröseltopfen und schmeckt kräftig.

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Wer nach Liptauer-Rezepten sucht, wird meist mit einer Gewürzorgie konfrontiert: Zwiebel und Sardellen, Gurken und Kapern, Kümmel und Pfeffer werden gern angeführt. Manch einer greift gar zu Senf und Sauerrahm. Dabei wäre das alles gar nicht nötig, gäbe es nur genug guten Brimsen und Leute wie Lukás Zvara, der als einer der Letzten in der Slowakei noch "Bryndza", Almbrimsen aus reiner Schafsmilch, herstellt.

Im Nationalpark Muránska planina, am Fuß der Hohen Tatra, weiden Zvaras Schafe auf über 1000 Meter den ganzen Sommer auf der Alm. Zweimal am Tag werden die Tiere auf der Wiese gemolken, die Milch wird ins Tal gebracht und zu Brimsen und anderen traditionellen slowakischen Käsen verarbeitet. Zvaras Brimsen ist ganz auf sich allein gestellt erstaunlich komplex und würzig, mit Noten von Kümmel, Sardellen, Zwiebel und einem Hauch von Schaf im Abgang. Alles, was es noch braucht für den perfekten Liptauer, ist ein wenig Butter und hochwertiger Paprika.

Brimsen ist im Idealfall ein reiner Schafmilchkäse und der größte Stolz slowakischer Käsekultur. Er ist ein grenzüberschreitendes Symbol für Mitteleuropas gemeinsame kulinarische Vergangenheit. Er stammt ursprünglich aus der bergigen Gegend um Liptov (auf Deutsch Liptau, daher der Name), wo immer schon Schafe auf den Weiden gehalten wurden. In der Slowakei ist er allgegenwärtig: entweder als eine von drei Zutaten von Bryndzové halusky, dem slowakischen Nationalgericht (die anderen beiden sind Kartoffelnockerln und Speck), oder als die beliebteste Füllung und Topping für Pirohy, Osteuropas Antwort auf Ravioli.

Kulturgut

Als die Slowakei noch ein Teil Österreich-Ungarns war, wurde der Brimsen aus Liptov in großen Mengen nach Wien exportiert, um dort zu Liptauer verarbeitet zu werden. Zwei Weltkriege und 40 Jahre Kommunismus beendeten diese Handelsbeziehung – und die Praxis des Almbrimsens fast auch. Unter den kommunistischen Machthabern wurde auch die Käseproduktion verstaatlicht. Nur zwei große Betriebe stellten Brimsen her, die Schäfer verschwanden von den Hügeln. Die Österreicher halfen sich, indem sie fortan Topfen für Liptauer verwendeten – die vielen Würzmittel sollten den mangelnden Eigengeschmack des Frischkäses aufwiegen.

Vor der kommunistischen Machtübernahme hütete bereits Zvaras Großvater Schafe und verkaufte Brimsen und Korbáciky, den beliebten slowakischen Fadenkäse, der in Österreich im Gegensatz zu Brimsen eher unbekannt ist. Er brachte seine Ware jeden Tag zum Bahnhof und gab sie dem Schaffner mit, der ihn in Bratislava an eine Marktfrau übergab. Diese verkaufte ihn an ihrem Stand direkt auf dem Hauptplatz. Während der kommunistischen Diktatur arbeitete Lukás Zvaras Vater Jozef bei einem der staatlichen Brimsenhersteller. 1991 kaufte er schließlich über 100 Hektar Land in den Hügeln von Liptov, auf denen seine rund 2000 Schafe heute weiden – behütet von drei Schäfern und mehreren gewaltigen Hunden, die den ausgewachsenen Männern über die Hüften reichen. Die Tiere sollen in der Nacht die Bären und Wölfe in den umliegenden Wäldern abschrecken.

Mischung aus Kuh- und Schafsmilch

Weil die Nachfrage nach Brimsen und Korbáciky in der Slowakei so groß ist, werden diese heute meist aus einer Mischung aus Kuh- und Schafmilch hergestellt. Teilweise wird Schafmilch für die Brimsenproduktion auch aus Südamerika importiert. Seit 2008 ist slowakischer Brimsen eine geschützte Herkunftsbezeichnung und muss einen Anteil von mindestens 50 Prozent Schafmilch aufweisen. Traditioneller Almbrimsen wird ausschließlich aus Schafmilch gekäst. Ganz besonders begehrt ist der sogenannte Maibrimsen, der gekäst wird, wenn die Tiere erstmals nach dem Winter wieder auf die Almen kommen und frisches Gras zu fressen bekommen.

Das Käsemachen ist in der Zentralslowakei traditionell Sache der Frauen. Sie arbeiten in Teams und beginnen, sobald die frische Morgenmilch von der Alm kommt, und käsen dann sechs, sieben Stunden lang. Die Herstellung von Brimsen ist relativ einfach: Die frische Schafmilch wird mit Lab zum Gerinnen gebracht, der frische Käse wird für zwei Tage in großen Tüchern aufgehängt, damit die Molke abtropfen kann. Anschließend darf er für rund zwölf Tage auf Holzbänken reifen. Das Ergebnis ist ein leicht bröckeliger, kräftig riechender Laib. Wenn er das richtige Aroma hat, wird er auf einer groben Reibe gerieben, ordentlich gesalzen und in Form gepresst. Traditionell wurde er so in Holzfässer gefüllt und für den Winter, in dem es kaum frische Milch gab, gelagert.

Für Fortgeschrittene

Korbáciky machen fordert ein wenig mehr Geschick: Wie für den Brimsen wird die Schafmilch geronnen und abgehangen, dann wird der Käse aber gleich weiterverarbeitet. Er wird gerieben und in großen Sieben in einem heißen Wasserbad geknetet, bis er schmilzt und zu einer formbaren Masse wird. Mit gleichmäßigen Bewegungen strecken und ziehen die Frauen ihn dann zu dünnen Fäden, die bis zu 30 Meter lang werden können. Nach dem Ziehen wird er in kaltes Wasser eingelegt, um die Fermentation zu stoppen. Das Timing ist dabei essenziell: Die Käsezieherinnen müssen jenen Zeitpunkt erwischen, wenn der Käse schön weich ist, aber noch nicht bricht. Kurz nachdem er die perfekte Konsistenz hat, wird er wieder hart und verliert seine Elastizität.

Die Fäden werden zu Rollen gewickelt oder in Zöpfe oder Nester geflochten verkauft. Korbáciky schmeckt ein wenig wie bissfester Mozzarella und wird entweder pur oder kräftig geräuchert gegessen. Die Käseschnüre werden dafür mit den Fingern der Länge nach auseinandergezogen, sodass sie sich in hauchdünne Fäden zerteilen. Je mehr und je feiner diese Fäden, desto besser.

Als Lukás Zvaras Familie 1991 begann, wieder Käse zu machen, verkaufte sie auch an einem Marktstand in Bratislava. Ältere Kunden kamen, kauften und erkannten sofort ihren alten Käse wieder, den sie vor der kommunistischen Machtübernahme auf dem Hauptplatz gekauft hatten. Älteren Wiener Liptauer-Essern könnte es bald ähnlich gehen: Der Brimsen ist mittlerweile wieder in Wien auf einigen Märkten zu haben. (Tobias Müller, RONDO, 16.7.2017)

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