Der italienische Premier Paolo Gentiloni empfing die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Westbalkankonferenz in Triest.

Foto: AFP / Tiziana Fabi
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Der Kommissar und die Minister saßen auf dem Podest im Rathaussaal von Triest, die Vertreter der Zivilgesellschaft brachten recht brav ihre Anliegen vor. Die Ein zige, die der Veranstaltung Pep verlieh, war die kosovarische Journalistin Jeta Xharra. "Zuerst habt ihr es ein Treffen für Leute vom Westbalkan genannt, dann hat es Berlin-Prozess geheißen, nun heißt es Berlin-plus. Aber für die Leute in der Region hat sich seither gar nichts verändert! Nichts! Wie lange, Herr Kommissar Hahn, wollen Sie noch dulden, dass Serbien die Elektrizitätsverbindung zwischen dem Kosovo und Albanien blockiert?", fragte sie lautstark.

Xharra drückte die Enttäuschung vieler aus, die gestern, Mittwoch, zum Gipfeltreffen der Westbalkanstaaten kamen. Während sich die Außenminister von Montenegro, Albanien, dem Kosovo und Mazedonien zumindest der Auseinandersetzung mit der Zivilgesellschaft stellten, saß der serbische Außenminister Ivica Dačić im Café an der Piazza dell’Unità und rauchte eine Havanna. Auch der Bosnier fehlte.

In der Region geht gerade bei bilateralen Konflikten wenig weiter. Und wegen der Arbeitslosigkeit, der fehlenden persönlichen Freiheiten und der Minilöhne wollen immer mehr Südosteuropäer ihre Staaten verlassen – überall werden Deutschkurse gebucht, um ins "gelobte Land" auswandern zu können. In Berlin ist man sich der miserablen Lage bewusst.

Mehr Zusammenarbeit

Das Gipfeltreffen im Rahmen des Berlin-Prozesses findet bereits zum vierten Mal statt. Nach einer Initiative der deutschen Kanzlerin Angela Merkel 2014 unterstützen auch Österreich, Frankreich und Italien die Förderung von wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit und den Aufbau von Infrastruktur in den sechs Balkanstaaten, die der EU_beitreten wollen. Denn selbst wenn sich alles positiv entwickeln würde, können die Balkan-Sechs den Entwicklungsunterschied zur EU_kaum aufholen.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel kündigte kürzlich an, mehr Geld für die Region zur Verfügung stellen zu wollen. Wer wie viel wann bezahlen soll, ist aber bis heute nicht klar. Der Kommissar für Erweiterungsverhandlungen Johannes Hahn forderte ein klares Commitment von den Regierungschefs der Balkanstaaten. "Wir können nicht alles tun, wir sind kein Kindergarten und keine Krankenschwestern." Er verwies auch auf die durchaus "delikate Situation", dass der nächste Westbalkangipfel kommendes Jahr ausgerechnet in Großbritannien stattfinden soll.

Handelsschranken abbauen

Für die Regierungschefs der Balkanstaaten ging es darum, den neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron dazu zu bringen, die Erweiterung mehr zu unterstützen. Unterschrieben haben die Balkan-Sechs am Mittwoch einen Vertrag zur Verkehrsgemeinschaft mit der EU. Zudem gibt es nun einen konkreten Aktionsplan mit Deadlines zur Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums der Balkan-Sechs. Viele der Vorhaben sollen in den bestehenden Strukturen des regionalen Freihandelsabkommens Cefta umgesetzt werden, wie etwa eine bessere Grenzabwicklung, mehr Kooperation der Kontrollbehörden und der Abbau von Handelsschranken.

Bilaterale Konflikte

Erwähnt wurde auch, dass bilaterale Konflikte im Geiste guter Nachbarschaft gelöst werden sollten. Die Weigerung von Kroatien, den Spruch des Schiedshofs zur Grenze zu Slowenien umzusetzen, war dabei das falsche Signal. Im Vorfeld des Triestiner Gipfels trafen sich zumindest der slowenische Premier Miro Cerar und der kroatische Premier Andrej Plenković in Ljubljana.

Aus Österreich kam Außenminister Sebastian Kurz ohne großen Tross mit einem Linienflug über Ljubljana an, Kern reiste mit einem gemieteten Jet und in Begleitung von sieben Journalisten, darunter auch einem Vertreter des STANDARD. Eine gemeinsame Anreise sei zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion gestanden, hieß es. Im Vorfeld wurde sogar ausgemacht, dass der Kanzler im Café auf der linken Seite der Piazza bleiben sollte, während Kurz im Harris auf der rechten Seite Platz nahm.

Der Balkan sei nicht der Hinterhof Europas, sondern dessen Wohnzimmer, sagte Kern im Gespräch mit dem STANDARD. "Wir dürfen nicht zulassen, dass unser Einfluss in der Region zurückgedrängt wird." (Adelheid Wölfl, Michael Völker aus Triest, 12.7.2017)