Die Denisova-Höhle ist eine paläoanthropologische Fundgrube.

Foto: Bence Viola

Zu den dort gemachten Funden gehört auch dieser Zahn, der hier aus verschiedenen Perspektiven zu sehen ist.

Foto: Slon et al

Leipzig/Wien – Seit 2010 in einer südsibirischen Höhle Knochenfragmente entdeckt wurden, die weder Homo sapiens noch Neandertaler zugeordnet werden konnten, ist klar, dass der jüngere menschliche Stammbaum verzweigter war als gedacht. Der sensationelle Fund von Forschern um den Paläogenetiker Svante Pääbo vom Leipziger Max-Planck-Institut (MPI) für evolutionäre Anthropologie belegte, dass bis vor 40.000 Jahren in Zentralasien eine bis dahin unbekannte Menschenart existierte.

Die archäologischen Grundlagen dieser Erkenntnis sind allerdings spärlich: Ganze drei Fossilien konnten der neuen Art zugeordnet werden. Nun allerdings ist ein vierter Beleg für die Existenz des nach der Fundhöhle benannten Denisova-Menschen hinzugekommen: Ein abgenutzter Zahn, der einst zu einem Mädchen von zehn bis zwölf Jahren gehörte.

Bislang ältester Fund

Das bereits 1984 freigelegte und dann lange Zeit archivierte Fundstück namens "Denisova 2" wurde aus einer Schicht geborgen, die sich vor 227.000 bis 128.000 Jahren abgelagert hatte. Eine vom Team um Viviane Slon, ebenfalls vom MPI, durchgeführte Genanalyse ergab, dass das Mädchen etwa 20.000 bis 40.000 Jahre vor den bisher bekannten Denisova-Menschen gelebt hatte.

Damit dürfte es sich bei dem Kind um den ältesten bekannten Denisova-Menschen handeln, der bisher entdeckt wurde. Die im Fachjournal "Science Advances" präsentierte DNA-Untersuchung unterstützt diese Annahme: Einige genetische Eigenschaften der drei jüngeren Fossilien haben in den Erbanlagen des Kinderzahns keine Entsprechung und dürften damit erst später hinzugekommen sein.

Abgesehen von diesen wenigen Unterschieden zeigte die DNA des neuen Funds bemerkenswerte Ähnlichkeiten zu der aus den bisher bekannten Fragmenten. "Das passt zu der These, dass die Denisova-Population im Verlauf ihrer langen Geschichte ziemlich klein und genetisch wenig divers geblieben ist", meint Slon. "Um das allerdings zu verifizieren, benötigen wir das vollständige Genom weiterer Individuen." Zumindest belegt der Fund, dass der Denisova-Mensch die gleichnamige Höhle über sehr lange Zeiträume hinweg benutzt haben muss.

Das Erbe von Denisova

Währenddessen hoffen die Wissenschafter auf weitere Funde im südostasiatischen Raum. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn einige moderne Bevölkerungsgruppen in Ostasien und Ozeanien besitzen in ihren Erbanlagen Fragmente von Denisova-DNA. Das weist nach Ansicht der Forscher auf sexuelle Kontakte dieser Menschenart mit dem Homo sapiens hin, der erst bedeutend später in dieser Region auftauchte.

Vorerst allerdings sind die Denisova-Funde zum Leidwesen der Wissenschafter erschöpft. "Allein weitere Ausgrabungen in der Denisova-Höhle können nun zu neuen Erkenntnissen über diese Spezies führen", meint Slon. (Thomas Bergmayr, 13.7.2017)