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Wenn es nach Carles Puigdemont (li.), Chef der Autonomieregierung, geht, sollen Kataloniens Farben zur Nationalflagge werden.

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Die Front bröckelt. Das Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens ist innerhalb der Autonomieregierung in Barcelona nicht so unumstritten, wie es bisher schien. Weniger als drei Monate vor dem geplanten Urnengang am 1. Oktober ersetzte Carles Puigdemont, Chef der Autonomieregierung der Region im spanischen Nordosten, zuletzt insgesamt vier Regierungsmitglieder.

Puigdemont und sein Vizepräsident Oriol Junqueras wollen vor dem Referendum, das die Regierung in Madrid unter dem Konservativen Mariano Rajoy um jeden Preis verhindern will, eine "Regierung ohne Risse". Die drei Minister, die Ende vergangener Woche ihren Rücktritt einreichten und ersetzt wurden, sind Jordi Jané (Inneres), Meritxell Ruiz (Bildung) sowie die Regierungssprecherin und Präsidentialamtsministerin Neus Munté. Alle drei waren bisher mit der Organisation des Referendums befasst.

"Vertrauen hat nichts mit Ideologie zu tun"

Wirtschaftsminister Jordi Baiget hatte zuvor erklärt, er glaube nicht, dass eine Volksabstimmung gegen den ausdrücklichen Willen Madrids möglich sei – und wurde dafür von Puigdemont entlassen. Dieser will eine Regierung, auf die er sich voll und ganz verlassen kann. "Vertrauen hat nichts mit Ideologie und Meinungen zu tun. Ich habe Leute, denen ich vertraue, die anders denken als ich", wies er den Vorwurf zurück, er würde ideologische Säuberungen durchführen.

Die katalanische Presse spricht davon, dass namhafte Mitglieder des regierenden Wahlbündnisses "Gemeinsam für das Ja" (JxS) rund um Puigdemont Angst hätten, den Weg zum Referendum bis zu Ende zu gehen – denn Madrid wird wohl alle für die Organisation der Volksbefragung direkt Verantwortlichen mit Prozessen eindecken. Es drohen Wahl- und Ämterverbote und auch hohe Geld- und sogar Haftstrafen. Mehrere damalige Regierungsmitglieder wurden Anfang des Jahres in erster Instanz verurteilt, weil sie am 9. November 2014 eine unverbindliche Volksbefragung über die Unabhängigkeit durchgeführt hatten. Das spanische Verfassungsgericht hatte dies zuvor ausdrücklich untersagt.

Ermittlungen zu Ausschreibungen für Wahlurnen

Hinsichtlich des geplanten Referendums am 1. Oktober ermittelt das Oberste Gericht in Katalonien wegen der Ausschreibung zum Ankauf von Wahlurnen. Zwar war diese ohne ernsthaftes Angebot zu Ende gegangen, dennoch stelle alleine der Versuch, Urnen zu kaufen, einen Verstoß gegen die Verfassung und Urteile des Verfassungsgerichtes dar, hieß es.

Jetzt werden der katalanische Vizepräsident Junqueras und Außenminister Raül Romeva versuchen, die Urnen anzuschaffen, ermächtigt durch einen Kabinettsbeschluss: Die juristische Verantwortung soll dadurch kollektiv übernommen werden. Junqueras hatte sich vor wenigen Tagen geweigert, die Organisation des Referendums alleine zu übernehmen. Auch hier soll jetzt ein Weg gesucht werden, um die Verantwortung auf so vielen Schultern wie möglich zu verteilen.

Die bisher veröffentlichten Umfragen zum Referendum sind widersprüchlich. In der spanienweiten Presse liegen die Gegner der Unabhängigkeit Kataloniens vorn, in der katalanischen Presse die Befürworter. Die Wahlbeteiligung wird weit über 50 Prozent liegen. Und mehr als 70 Prozent der Katalanen, egal welchem Lager sie angehören, wollen endlich abstimmen. Sie verlangen von Madrid ein zwischen beiden Seiten ausgehandeltes Referendum, wie das in Schottland der Fall war. (Reiner Wandler aus Madrid, 17.7.2017)