George A. Romero geht einem seiner lebenden Toten an die Gurgel. Der amerikanische Filmemacher machte den Zombie zu einem der am weitesten verbreiteten Topoi der Zivilisationskritik. Das Bild stammt aus dem Jahr 2006.

Foto: Imago / Zuma Globe

Wien – Wenn ein gestandener Familienvater zuerst "lacht wie eine Hyäne" und schon im nächsten Atemzug "weint wie ein Baby", dann ist nicht nur Feuer am Dach einer amerikanischen Milchfarm, sondern möglicherweise etwas Grundlegenderes im Gange.

Am Beginn von George A. Romeros The Crazies (1973) sieht alles nach einem normalen Einsatz für die Feuerwehr einer Kleinstadt in Pennsylvania aus, aber schon nach kurzer Zeit wird deutlich, dass es um viel mehr geht als nur ein Familiendrama mit einer toten Mutter, zwei Kindern mit Brandwunden und einem Vater, der nicht mehr er selbst ist.

Dass The Crazies einer der weniger bekannten Filme von George A. Romero ist, hat mit dem Umstand zu tun, dass seine Karriere maßgeblich mit einer der prägenden populärkulturellen Mythologien verbunden ist: Sein Debüt Night of the Living Dead aus dem Jahr 1968 gilt als der essenzielle Zombie-Film, und neben den mehrfachen Fortsetzungen von eigener Hand sowie markanten Remakes haben sich die lebenden Toten (oder wankenden Untoten oder hungrigen Leichen oder wie immer sonst man diesen schrecklichen Zwischenzustand markieren will) zu einem der am weitesten verbreiteten Topoi der neueren Zivilisationskritik entfaltet.

SinanDC

Totale Konsumgesellschaft

Romero hat die Zombies nicht erfunden, aber er traf mit seinem schockierenden Schwarz-Weiß-Film auf dem Höhepunkt des Krisenjahres 1968 den Nerv einer Gesellschaft, die sich inmitten der globalen Expansion des amerikanischen Systems (Kultur, Wirtschaft, Militär) als fundamental belagert empfand. Und mit seinem gesamten filmischen Werk buchstabierte Romero schließlich die Konstellationen dieser Belagerung so konsequent aus, dass bald das Innen und das Außen nicht mehr zu unterscheiden waren.

In Dawn of the Dead (1978) ist die Shoppingmall, das Refugium einer total gewordenen Konsumgesellschaft, der letzte Hort einer Menschlichkeit, die längst nur noch in grotesker Entstellung den Wesenskern ihrer Autonomie von den natürlichen Zwängen verteidigt.

TIFF

George Andrew Romero, der 1940 in der Bronx in New York als Sohn eines Paares mit kubanischen und litauischen Wurzeln geboren wurde, kam über die Werbung zum Kino. In einem Interview hat er einmal Hoffmanns Erzählungen (1951) in der Version von Michael Powell als wesentliche Inspiration für seine frühen Versuche genannt – schon hier ist das Motiv des unerträglichen Automaten präsent, das schließlich mit den Zombies eine andere, ekelerregende Körperlichkeit bekommt. Die Untoten gaben Romero hinreichend Gelegenheit, sich in allegorischer Form zu der Entwicklung Amerikas zu äußern.

Reagan und Bush

Präsidenten wie Ronald Reagan oder George W. Bush inspirierten ihn zu grimmigen Aktualisierungen seines zentralen Stoffs. In Erinnerung wird Romero aber auch mit einigen anderen Filmen bleiben, etwa seinem brillanten Vampirdrama Martin (1978) oder mit Knightriders (1985), in dem eine fahrende Truppe von Späthippies den Artusmythos als Kontrastmöglichkeit zu einer korrumpierten Lebenswelt lebendig zu halten versucht – unübersehbar nahm Romero hier auch die Unterhaltungsindustrie in den Blick, deren Außenseiter er zeitlebens blieb.

Mit The Crazies aber brachte er besonders programmatisch zum Ausdruck, dass in seiner Sicht auf Wahnsinn und Gesellschaft jede Internierung immer nur Vorstufe zu einer pandemischen Verbreitung falschen (Un-)Lebens in faulenden Körpern ist und dass die Horden der Bewusstlosen oder Infizierten einer Macht gegenüberstehen, die mit den alten Charakteristiken des Humanen (Freiheit, Vernunft, Empathie) selbst nicht mehr viel zu tun hat. Am Sonntag ist George A. Romero im Alter von 77 Jahren in Toronto gestorben. (Bert Rebhandl, 17.7.2017)