Am 11. März 1938 herrschte in einigen Räumen der Hofburg große Euphorie: Der Deutsche Klub, der seit 1923 acht Räume im Halbstock des Leopoldinischen Trakts gemietet hatte, feierte ausgelassen den "Anschluss". Die rund 1000 Mitglieder sahen endlich ihr größtes politisches Ziel verwirklicht: die Vereinigung mit Deutschland. Tags darauf schickte der Vereinsvorstand ein Glückwunschschreiben an den neuen Bundeskanzler Arthur Seyß-Inquart, selbst langjähriges Mitglied des Klubs, und bejubelte darin die "deutsche Wiedergeburt Österreichs".

Dass von den neun Ministern des "Anschlusskabinetts" von Seyß-Inquart nicht weniger als fünf dem elitären Klub angehörten, erfüllte dessen Leitung "mit großer Genugtuung, denn wir sehen darin den Beweis, dass in unseren Reihen stets der Geist herrschte und gepflegt wurde, der zu der beglückenden Wendung des gestrigen Tages geführt hat". Zwei Tage später erhielt Adolf Hitler ein Telegramm aus Wien, das man wenig später in der Vereinszeitschrift mit folgender Einleitung abdruckte:

Telegramm des Deutschen Klubs an Adolf Hitler, nachgedruckt in den "Mitteilungen des Deutschen Klubs".

Karrieresprünge ab 1938

Mitglieder des Vereins übernahmen dank Seyß-Inquart in den nächsten Tagen und Wochen nicht nur fünf Ministerien, sondern zahlreiche Leitungspositionen im gleichzuschaltenden Österreich. Der neue NS-Bürgermeister der Stadt Wien, Hermann Neubacher, gehörte ebenso dazu wie sein Nachfolger Hanns Blaschke und der neue Leiter der Wiener Handelskammer, Richard Riedl, der den Klub 1908 gegründet hatte.

Im Kultur- und Wissenschaftsbereich wiederum stellte der Klub die neuen Direktoren des Burgtheaters (Mirko Jelusich), der Nationalbibliothek (Paul Heigl), des Tiergartens Schönbrunn (Otto Antonius), des Naturhistorischen Museums (Otto Pesta) sowie den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften (Heinrich Srbik). Und fast die gesamte NS-Führungsmannschaft der Universität Wien – Rektor, Prorektor und drei Dekane – bestand ebenfalls aus Mitgliedern des Deutschen Klubs, dem bereits zwischen 1908 und 1938 rund die Hälfte der Rektoren angehört hatte.

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Fünf Mitglieder der "Anschlussregierung" – Justizminister Franz Hueber (4. v. links.), Bundeskanzler Seyß-Inquart (5. v. l.), halb von diesem verdeckt Unterrichtsminister Oswald Menghin, Sozialminister Hugo Jury (2. v. r.) und Handelsminister Hans Fischböck (1. v. r.) – waren Mitglieder des Deutschen Klubs. Land- und Forstwirtschaftsminister Anton Reinthaller (4. v. r.) gehörte dem Verein nicht an. Er wurde 1956 erster Bundesparteiobmann der FPÖ.
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Wie aber kam es dazu, dass dieser Verein, der von der Zeitgeschichtsforschung bis vor kurzem fast völlig übersehen wurde und noch nicht einmal einen Wikipedia-Eintrag hat, derartig einflussreich werden konnte? Woher kamen die Mitglieder dieses exklusiven Klubs? Und warum wurde der laut Statuten "nichtpolitische Verein zur Pflege des deutschen Volkstums" überhaupt 1908 ins Leben gerufen?

Sein ursprünglicher Zweck war es, die Spannungen zwischen den verschiedenen deutschnationalen Burschenschaften und Korporationen abzubauen, deren Vertreter einander bis dahin vor allem wegen der Frage der Mensuren und des Waffengebrauchs in den Haaren gelegen waren. 1919 hatte der Deutsche Klub, der nur "arische" Männer aufnahm, bereits rund 1000 Mitglieder (das war auch die informell festgesetzte Maximalzahl), die in erster Linie aus dem Bürgertum und dem Adel stammten. Besonders stark vertreten waren höhere Beamte und Juristen, Kaufleute und Fabrikanten, darunter viele Großindustrielle sowie Hochschullehrer. Der Akademikeranteil lag bei fast zwei Drittel.

1923 übersiedelte der Deutsche Klub in den Leopoldinischen Trakt in der Hofburg, wo man unter anderem über einen etwa 100 Personen fassenden Veranstaltungssaal verfügte. Explizit parteipolitische Fragen wurden bei den regelmäßigen Veranstaltungen zwar ausgespart. Themen wie "Die Wirtschaftsmacht des Judentums in Österreich" oder "Rassenhygiene und menschliche Vererbungslehre" – beide Vorträge fanden im Herbst 1924 statt und wurden im Vereinsorgan, den Mitteilungen des Deutschen Klubs, zusammengefasst – machen aber klar, wofür man politisch stand.

In den "Mitteilungen des Deutschen Klubs" finden sich ab Mitte der 1920er Jahre regelmäßig antisemitische Einschaltungen.

Der Polizeidirektion Wien gab der explizite Antisemitismus und Deutschnationalismus im Klub damals noch keinen Grund zur Sorge: So heißt es in einem Bericht aus dem Jahr 1925, dass der Verein "keine extremen politischen Ziele" verfolge. Immerhin gehörten dem Verein früher oder später mindestens zehn Mitglieder der sogenannten Bürgerblockregierungen aus Christlichsozialen und Deutschnationalen an, die meisten aufseiten der Deutschnationalen.

Anfang der 1930er-Jahre kam es dann im Fahrwasser der NSDAP-Erfolge in Deutschland und Österreich freilich zu einer weiteren Radikalisierung: So nützte Seyß-Inquart, damals national-katholischer Rechtsanwalt mit politischen Ambitionen, den Deutschen Klub als Plattform, um eine Vereinigung der politischen Rechten zu forcieren, und er plädierte im Klub für eine Kooperation von Heimwehr und NSDAP.

Solche Bemühungen erhielten nach dem März 1933 und der Ausschaltung des Parlaments durch Engelbert Dollfuß, einen ehemaligen "Bruder" Seyß-Inquarts im antisemitischen Geheimbund Deutsche Gemeinschaft, einen Dämpfer: Die immer mächtigere NSDAP wurde im Juni 1933 verboten, der Deutsche Klub aber nicht, obwohl regimetreue Zeitungen darin eine "Nazi-Zelle" oder gar eine "getarnte Nazizentrale" vermuteten. Überprüfungen durch die Polizei blieben freilich ergebnislos.

Polizeiberichte vom 19. Mai und vom 24. Juli 1934. Einen Tag später, am 25. Juli, fand das Attentat auf Dollfuß im Bundeskanzleramt statt.

Der letzte Polizeibericht, der keinerlei Verbindung zu den Nationalsozialisten feststellte, datierte vom 24. Juli 1934. Einen Tag später fiel Engelbert Dollfuß im Bundeskanzleramt einem NS-Putsch zum Opfer, einen Steinwurf von den Räumlichkeiten des Deutschen Klubs entfernt. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass Klubmitglieder wie Otto Wächter, einer der Klubvorstände, sehr wohl am Umsturzversuch beteiligt gewesen waren, wurde der Verein am 31. August 1934 geschlossen. Neben den Putschverwicklungen legte man dem Deutschen Klub nun doch zur Last, "eine Pflegestätte nationalsozialistischer Opposition" zu sein.

Treffpunkt der Austro-Nazis

Trotz dieser nur zu berechtigten Verdachtsmomente gelang es dem damaligen Obmann Carl Bardolff, einem geadelten k. k. Berufsoffizier und Nazi-Sympathisanten, mithilfe von Klubfürsprechern in höchsten Kreisen der Politik und der Exekutive, dass der Deutsche Klub nach zehn Wochen wieder geöffnet werden durfte. Offiziell waren daran zwar strenge Bedingungen geknüpft, und nationalsozialistische Betätigung wurde strikt untersagt.

Diese Auflagen änderten aber nichts daran, dass der Verein der wichtigste informelle Treffpunkt der Austro-Nazis in Wien blieb, etwa der nationalsozialistischen Ärzte und "Rechtswahrer". Das bestätigt indirekt auch ein vertraulicher Bericht der Polizei vom Juni 1935: "Die Stimmung im Deutschen Klub ist ziemlich braun (...). Den österreichischen Patrioten tut es bitter weh, so viel Intelligenz in diesem Fahrwasser zu sehen."

"Streng geheimer" Polizeibericht über den Deutschen Klub vom 18. Juni 1935.

Solche Einschätzungen decken sich auch mit den Thesen des US-Historikers Janek Wasserman, der in seinem Buch Black Vienna 2014 zum einen dokumentierte, dass die Mehrheit der Wiener Intelligenzija der Zwischenkriegszeit rechtskonservativ und antisemitisch war, und zum anderen, dass selbst noch im Dollfuß-Schuschnigg-Regime die Grenzen zwischen Schwarz und Braun dank der "Betont Nationalen" verschwammen.

Dass die frühen Wiener NS-Sympathisanten überproportional stark aus der Bourgeoisie kamen, zeigte sich nicht nur am Deutschen Klub, sondern auch an den letzten abgehaltenen Wahlen 1932 oder an mehr als 1300 illegalen NSDAP-Mitgliedern während des Austrofaschismus, die der Historiker Kurt Bauer ausfindig gemacht hat: Die frühen NS-Anhänger in Wien waren relativ am stärksten in den bürgerlichen Bezirken vertreten und nicht etwa in den Arbeitergegenden.

Dass Mitglieder des Deutschen Klubs aktiv am "Anschluss" arbeiteten, hatte neben ideologischen auch handfeste Gründe. Schließlich wurde im Deutschen Reich unter Hitler ab 1933 vollstreckt, was man im Deutschen Klub bereits seit vielen Jahren gefordert hatte: die Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung. "Kauft nur bei arischen Geschäftsleuten!" war eine Aufforderung, die ab Mitte der 1920er-Jahre in den Mitteilungen des Deutschen Klubs immer wieder groß abgedruckt wurde.

Profiteure der Arisierung

Tatsächlich stiegen Mitglieder des Vereins nach der deutschen Machtübernahme nicht nur in zahlreiche Spitzenpositionen auf. Etliche von ihnen spielten auch bei den in Wien besonders rasch und skrupellos durchgeführten Arisierungen eine wichtige Rolle.

Österreichisches Abendblatt vom 2. September 1933 (Zusammenschnitt von der Seite 1).

Dennoch machte sich im Deutschen Klub in den ersten Monaten nach dem "Anschluss" eine gewisse Ernüchterung breit. Man sorgte sich, dass aufgrund der Gleichschaltung alles Österreichische verlorengehen würde und dass die Führungsrolle der Klubmitglieder sowie das Weiterbestehen des Klubs gefährdet sein könnten. Zunächst konnte freilich Reichsstatthalter Arthur Seyß-Inquart seine schützende Hand über den Verein halten. Doch mit dem Inkrafttreten des Ostmarkgesetzes am 1. Mai 1939 gingen seine Befugnisse auf Josef Bürckel über, der bis dahin Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs und ein erklärter Gegner Seyß-Inquarts war.

Keine zwei Wochen, nachdem jener seine Funktion verloren hatte, verfügte Bürckel die Auflösung des Deutschen Klubs. Was dann folgte, war ein kompliziertes Hin und Her an Unterredungen und Einsprüchen, um die Auflösung des Vereins ein zweites Mal abzuwenden. Seitens der Klubleitung wurde man nicht müde, die Verdienste des Vereins um die illegale NSDAP vor 1938 hervorzuheben und zu betonen, dass 40 bis 50 Prozent der Mitglieder bei der Partei seien. (Tatsächlich waren es nur knapp 30 Prozent.) Die Argumente und Bitten blieben ungehört: So wie die meisten Vereine Österreichs wurde auch der Deutsche Klub aufgelöst, sein Vermögen ging an die Gauleitung Wien.

Bekanntmachung der Auflösung des Vereins in der Wiener Zeitung vom 24. Oktober 1939.

Doch auch nach dem 21. Oktober 1939, dem offiziellen Auflösungsdatum, gingen die Interventionen bei den höchsten Stellen weiter. Eine besonders einflussreiche kam vom Spitzenjuristen Egbert Mannlicher, selbst einige Zeit im Vorstand des Vereins tätig und nach dem "Anschluss" Referent im Reichsministerium des Innern. Mannlicher, der übrigens 1930 das Große Ehrenzeichen und 1970 das Große goldene Ehrenzeichen jeweils für Verdienste um die Republik Österreich erhielt, beklagte im Herbst 1939, dass die Auflösung des Vereins eine "schwere Kränkung" des "großdeutsch und nationalsozialistisch gesinnten Bürgertums in der Ostmark" darstelle, das er im Rückblick als den "wesentlichen Träger der nationalsozialistischen Bewegung" in Österreich sah.

"Bedrohliche Nebenregierung"

In Berlin holte man deshalb die Einschätzung der Gauleitung Wien ein, die zwar einen "hervorragenden Einsatz seiner Mitglieder in den Verbotsjahren" attestierte; man beklagte zugleich aber das Fehlen des "sozialistischen Elements" im Deutschen Klub. Stattdessen hätte man dort versucht, den Nationalsozialismus "in bürgerliche Bahnen zu drängen" und sei im Begriff gewesen, "eine für die politische Ruhe und Stabilität in Wien äußerst bedrohliche Nebenregierung zu werden".

Diese Unterlagen landeten im Februar 1940 bei Adolf Hitler, der höchstpersönlich entschied, dass es "bei den vollzogenen Maßnahmen verbleiben soll".

Der politisch einflussreichste Verein Wiens in den 1930er-Jahren verschwand damit von der Bildfläche. An den weiteren steilen NS-Karrieren vieler seiner Mitglieder änderte das wenig: Die im Verein geknüpften Netzwerke der bürgerlichen Elite halfen natürlich nicht nur bis 1945, sondern auch danach, als es um die Entnazifizierung vieler belasteter Klubmitglieder ging. Die Auflösung des Klubs durch die Nationalsozialisten diente – ähnlich wie bei den ebenfalls aufgelösten schlagenden Burschenschaften – nach dem Zweiten Weltkrieg als gute Ausrede: Man sei Opfer des NS-Regimes gewesen und nicht dessen österreichische Brutstätte.

"Neuer Klub" als Nachfolger

1957 war dann diese hier erstmals etwas ausführlicher erzählte Geschichte des Deutschen Klubs so weit verdrängt, dass in Wien und Salzburg sein Nachfolgeverein gegründet werden konnte: der sogenannte Neue Klub, der zumindest personell eine starke Kontinuität zur Vorläuferorganisation aufwies. Dessen drei offizielle Gründer waren mit Erich Führer, Franz Hueber und Karl Anton Rohan nämlich nicht nur bis zuletzt Mitglieder des Deutschen Klubs, sondern auch in der nationalsozialistischen Bewegung aktiv gewesen.

Führer trat 1932 der NSDAP und 1934 der SS bei, nach dem "Anschluss" war er unter anderem Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer in Wien. Nach dem Krieg saß er eine dreijährige schwere Kerkerstrafe unter anderem wegen Hochverrats ab und arbeitete danach als Anwalt. Hueber, ein Schwager Hermann Görings, war Kurzzeit-Justizminister unter Seyß-Inquart und Präsident des Reichsverwaltungsgerichts. Nicht ganz so erfolgreich war Rohan, der nach 1938 etwas ins Abseits geriet, weil er an einer Versöhnung des Nationalsozialismus mit katholisch-aristokratischen Ansätzen festhielt.

In der offiziellen Selbstdarstellung bezeichnet sich der Neue Klub als "überparteilicher Verein", der Redner aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und "den deutschen Minderheiten-Gebieten" zu Vorträgen lädt. Vor allem aber war der Verein, der im Gegensatz zum Vorläuferklub politisch einigermaßen bedeutungslos blieb, lange ein Treffpunkt der intellektuellen "Ehemaligen" wie Taras Borodajkewycz.

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In diesem Trakt der Hofburg hatte der Deutsche Klub mehrere Räume gemietet. Ab 1930 und vor allem in den Jahren des Austrofaschismus war der elitäre Verein eine Brutstätte des Nationalsozialismus in Wien, die bis vor kurzem so gut wie unerforscht war.
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Die Homepage des Neuen Klubs ist heute übrigens Teil des Netzauftritts des Freiheitlichen Akademikerverbands Salzburg und würdigt da auch seine Vorgängerinstitution, ohne freilich deren NS-Verstrickungen auch nur anzudeuten. Gewisse inhaltliche Traditionen scheinen sich aber bis in die jüngste Gegenwart zu halten: Auf der Seite war bis 2015 ein rassistischer Text unter dem Titel "Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik" zu lesen, der dem Betreuer der Homepage eine Anzeige wegen Verhetzung eintrug.

Beim Angeklagten handelte es sich um den Psychologen Wolfgang Caspart, damals Vorsitzender des Freiheitlichen Akademikerverbands Salzburg und Vorstandsmitglied des Neuen Klubs. Caspart, Mitarbeiter der rechten Zeitschriften Die Aula und Zur Zeit, wurde Anfang September 2016 im Zweifel von dem Vorwurf der Verhetzung freigesprochen. (Linda Erker, Andreas Huber, Klaus Taschwer, 22.07.2017)