Wien – Das Ende der notorischen Kreditklemme ist in Sicht. Firmen holen sich laut der Europäischen Zentralbank wieder mehr Geld von Finanzinstituten. Der Aufschwung hat ein Jahrzehnt auf sich warten lassen. Über die genaue Erklärung sind sich Beobachter aber nicht einig.
Geldpolitik funktioniert wie ein Hebel an einer komplexen Maschine. Bis eine Intervention der Zentralbank letztlich in der Realwirtschaft ankommt, kann viel Zeit vergehen und unterwegs schon einmal ein Zahnrad feststecken. Treffend sprachen Ökonomen daher von einer Kreditklemme infolge der Finanzkrise. Damit ist gemeint, dass vor allem Unternehmen zu wenig Geld von Banken ausborgen, um mit Investitionen die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen.
Kredite wieder gefragt
Heute sind die Notenbanker wieder optimistischer. Firmen in der Eurozone haben im Frühjahrsquartal wieder mehr Geld von Banken ausgeborgt, wie eine am Dienstag veröffentlichte vierteljährliche Umfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt. Die Entwicklung dürfte anhalten. In Österreich nahm die Nachfrage nach Unternehmerkrediten bereits das dritte Quartal in Folge zu, wie die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) bekanntgab. Seit 2007 habe es keine vergleichbare Belebung gegeben.
Die EZB betont, dass hinter dem positiven Trend ein verschärfter Wettbewerb am Kreditmarkt stehe. Laut der Befragung von mehr als 140 Finanzinstituten haben sich dadurch die Konditionen bei der Kreditvergabe gelockert. Viele Banken haben die Aufschläge für durchschnittlich risikobehaftete Unternehmenskredite weiter reduziert. Das heißt, Firmen finanzieren sich leichter und günstiger. Das gehe nur auf Kosten der Margen bei den Banken, erklärt die EZB. Wie stark das Ende der Kreditklemme mit dem internen Konkurrenzdruck der Finanzbranche zusammenhängt, bleibt jedoch umstritten.
Gute Konjunktur
Vonseiten der Industrie höre man noch wenig über spürbar gelockerte Kreditkonditionen, sagt Andreas Mörk, Spartengeschäftsführer Industrie bei der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Verschärfte Vorschriften für die Kreditvergabe – Stichwort Basel II – würden schließlich weiterhin gelten.
Vielmehr motivierten die positiven Konjunkturdaten die heimischen Unternehmen zu höheren Ausgaben. Laut einer im Frühjahr durchgeführten Erhebung der WKO gab ein Viertel der 3.000 befragten Betriebe an, in den kommenden zwölf Monaten mehr investieren zu wollen – nur 15 Prozent planen, weniger auszugeben.
Vorreiter sind große Konzerne und die Exportwirtschaft. Ob sich der Trend wirklich fortsetzt, ist unklar. Viele Firmen holen nun gleichzeitig Investitionen nach, die sie in unsichereren Zeiten vor sich hergeschoben haben. Das Positive: Immerhin die Hälfte plant auch Neuinvestitionen.
Kreditzinsen können noch so günstig sein, für Unternehmer war immer klar, dass nur investiert wird, wenn in Zukunft dabei etwas herausschaut. (Leopold Stefan, 18.7.2017)