Pierre de Villiers nimmt den Hut.

Foto: AFP PHOTO / BERTRAND GUAY

Seit dem Putsch der Generäle im Algerienkrieg von 1961 hatte Frankreichs Armee keine Führungskrise dieses Ausmaßes erlebt. Auslöser war der Sparwunsch der Regierung. Um die Defizitvorgabe im Haushalt einzuhalten, wollte das französische Wirtschaftsministerium das Jahresbudget der Armee um 850 Millionen Euro kürzen.

Das empörte die Betroffenen, die seit langem an der inneren Terrorfront und Kriegsschauplätzen wie Syrien und in der Sahelzone engagiert sind. Generalstabschef Pierre de Villiers erklärte darauf in der nationalen Verteidigungskommission, er könne den Schutz der Franzosen nicht länger gewährleisten. Er fügte an, er lasse sich "so nicht reinlegen", wobei er das deftige Wort "baiser" ("vögeln") benützte.

Staatspräsident Emmanuel Macron reagierte sauer auf die stramme Reaktion. "Ich bin euer Chef, ich brauche keinen Druck, keinen Kommentar", erklärte vor der Militärparade des Nationalfeiertags zum Armeekorps, um seinerseits anzufügen: "Ich mag Leute mit Sinn für die Pflicht und die Diskretion."

Das war zu viel der Kritik für de Villiers, einen General der alten Schule: Am Mittwoch machte er seine Demission bekannt. Macron berief sofort den wenig bekannten General François Lecointre zum Nachfolger. Der 55-jährige Marineinfanterist zählte bisher nicht zum inneren Zirkel des Generalstabs. Er hatte sich 1995 bei der Einnahme der Vrbanja-Brücke in Sarajevo hervorgetan und gilt als erfahrener Afrikakämpfer. Zuletzt arbeitete er im Kabinett von Premierminister Edouard Philippe.

Die Pariser Medien und Experten interessierten sich allerdings kaum für den neuen Generalstabschef. Rechts wie links des Präsidentenlagers hagelt es Kritik an Macron: Dieser habe sich zu viel herausgenommen und den Zurückgetretenen "erniedrigt", hieß es etwa. Ein pensionierter General kritisierte den "jugendlichen Autoritarismus" des Präsidenten. Entgegen seiner Behauptung habe sich de Villiers nicht öffentlich beklagt, sondern in einer vertraulichen Kommissionssitzung unter Experten. Sogar Vertreter der Macron-Partei République en Marche dankten dem abgetretenen General.

Auch Armee muss sparen

In der Sache hat der Staatschef aber nicht unrecht: Wie alle Ministerien ist auch die Armee zum Sparen aufgerufen. Gerade in der nuklearen Force de Frappe gäbe es durchaus verzichtbare Teile wie etwa die bodengestützten Atomsprengköpfe. Die öffentliche Reaktion zeigt aber, dass Macron in Frankreich auf zunehmende Widerstände stößt. Der konservative Abgeordnete Eric Ciotti sprach von Macrons "erstem grobem Fehler".

Neben der Armee dürften auch andere Staatssektoren gegen den Sparkurs rebellieren. Dabei ist die Einhaltung der Haushaltdisziplin für den Präsidenten gerade gegenüber der deutschen Regierung eine Frage der Glaubwürdigkeit. Die präsidiale Schonfrist scheint nach 60 Tagen eher abrupt zu Ende zu gehen. (Stefan Brändle aus Paris, 19.7.2017)