Die meisten Angezeigten dealen mit Cannabis.

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Die Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz stiegen von 2015 auf 2016 um 10,1 Prozent an.

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Wien – Die Anzeigen aufgrund von Drogendelikten stiegen 2016 auf den höchsten Wert der letzten zehn Jahre: 36.235-mal wurden Menschen nach dem Suchtmittelgesetz anzeigt – 10,1 Prozent mehr als im Jahr davor mit 32.907 Anzeigen. Das geht aus dem Suchtmittelbericht 2016 hervor, den Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Donnerstag präsentierte. Die Anzeigen stiegen seit 2007 (rund 24.000) kontinuierlich an (siehe Grafik). Der niedrigste Wert der Dekade wurde 2008 mit 20.043 Anzeigen verzeichnet.

"Je mehr wir kontrollieren, desto mehr Delikte verzeichnen wir", begründete Sobotka den Anstieg. Ziel sei es, den Drogenhandel aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Man werde den "Kontrolldruck" aufrechterhalten.

Mehrmals täglich angezeigt

Ein weiterer Grund für den starken Anstieg der Anzeigen im Jahr 2016 ist die damals in Kraft getretene Strafrechtsreform. Mit dieser wurde der Begriff der Gewerbsmäßigkeit gelockert. Um einen Beschuldigten wegen Dealens in Untersuchungshaft nehmen zu können, muss man ihm mindestens drei Straftaten sowie die Absicht, 400 Euro im Monat verdienen zu wollen, nachweisen. Dieser Nachweis gelingt aber selten. So wurden im ersten Halbjahr 2016 Personen zum Teil mehrmals täglich auf freiem Fuß angezeigt, weil sie immer wieder beim Dealen erwischt wurden.

Im Übrigen geht auch deshalb aus der Statistik nicht hervor, wie viele Personen angezeigt wurden. Das gilt auch für die Anzahl der Verurteilten. Das Justizministerium veröffentlicht im Sicherheitsbericht nur die Gesamtzahl: 2015 gab es 7.922 Verurteilungen wegen Suchtmitteldelikte. Die Zahl für 2016 liegt noch nicht vor.

Verdrängung aus Hotspots

Mit 1. Juni 2016 änderte sich die Situation erneut und sorgte für einen Anstieg bei den Anzeigen: Damit die Polizei leichter gegen den Drogenhandel im öffentlichen Raum vorgehen kann, wurde dieser im Suchtmittelgesetz zu einem eigenen Tatbestand erklärt. Das ermöglichte unter anderem, die sogenannten Hotspots für Drogenkriminalität – etwa rund um die U6-Station Josefstädter Straße in Wien – in den Griff zu bekommen.

Sobald sich die Polizei von einem solchen Hotspot zurückziehe, werde dieser wieder vom Drogenhandel dominiert, sagte Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, zum STANDARD. Ziel der Einsätze in den Hotspots sei aber nicht nur die Verdrängung, sondern auch, mehr über die Strukturen und Hintermänner zu erfahren.

Drogenhandel über Darknet nimmt zu

Der Verkauf im öffentlichen Raum werde stark von Nichtösterreichern dominiert. Österreicher seien hingegen bei "bestimmten Veranstaltungen" sowie als Lieferanten für den Handel über das Darknet "wahrnehmbar", so Kogler. Eine eigene Taskforce geht schwerpunktmäßig dagegen vor. Der Internethandel mit Suchtmitteln nehme stark zu.

Erstmals wurden mehr Ausländer (51 Prozent) als Inländer wegen eines Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz angezeigt. Verbrechen sind Delikte, die mit mehr als drei Jahren Strafe bedroht sind. Alle anderen strafbaren Handlungen sind Vergehen. Nimmt man beide zusammen, waren 38,2 Prozent der Angezeigten "Fremde", wie es im Behördenjargon heißt. Der Anteil ist seit 2007 kontinuierlich von 21,8 Prozent angestiegen. Jener der Inländer ist von 78,2 auf 61,8 Prozent gesunken, in absoluten Zahlen wurden es aber mehr. 2007: 18.898, 2016: 22.393. Und gegen Fremde: 5.268 Anzeigen 2007, 13.842 im Jahr 2016.

Bei den Anzeigen gegen ausländische Verdächtige sind Nigeria (1.896), Algerien (1.281) und Afghanistan (1.103) am stärksten vertreten.

Die meisten Verdächtigen (69,2 Prozent) dealen mit Cannabis, rund acht Prozent mit Kokain. (Christa Minkin, 20.7.2017)