Przewalski-Pferde oder Takhis genießen heute besonderen Schutz. Das hat dazu geführt, dass sie ihren ursprünglichen Speiseplan umgestellt haben.

Foto: Petra Kaczensky

Im Unterschied zu den Takhis ernähren sich die Asiatischen Wildesel oder Khulane nur im Sommer von Gras. Im Winter laben sie sich an Sträuchern und Büschen.

Foto: Petra Kaczensky

Vor ihrer Ausrottung machten es die Przewalski-Pferde während der Winterzeit ebenso. Seit ihrer Wiederansiedlung fressen sie aber auch während der kalten Jahreszeit Gras – weil ihnen die Menschen in ihrer Umgebung mittlerweile mit Wohlwollen begegnen.

Foto: Petra Kaczensky

Wien – Die Familie der Pferdeartigen oder Equiden ist sehr klein: Lediglich Pferde, Esel und Zebras gehören dazu, und diese bringen es gemeinsam auf maximal acht Arten weltweit. In der Dsungarischen Gobi im Südwesten der Mongolei kommen drei dieser Arten gemeinsam vor: das Hauspferd, das Przewalski-Pferd oder Takhi und der Asiatische Wildesel oder Kulan, wie sie von den Mongolen genannt werden. Wie sie sich die vor allem im Winter kargen Weideflächen der Steppenwüste teilen, untersuchen österreichische Forscher seit Jahren und sind dabei auch auf menschliche Einflüsse gestoßen.

Das Przewalski-Pferd ist ein ursprünglicher Bewohner der zentralasiatischen Steppe, war jedoch ab 1969 in freier Wildbahn ausgestorben. Ab 1992 erfolgte die Wiederansiedlung mit Tieren, die alle von 13 Exemplaren abstammen, die Carl Hagenbeck um 1900 aus der Mongolei zurückbrachte. Das mongolische Hauspferd hat eine ähnliche Statur wie das Przewalski-Pferd und ist ähnlich zäh und anspruchslos, lässt sich im Unterschied zu diesem aber reiten: Die Rasse diente schon Dschingis Khans Truppen als Kriegspferde. Der Asiatische Wildesel hingegen wurde nie domestiziert. Um genügend Nahrung zu finden, wandert er bei Bedarf weite Strecken, während die beiden Pferdearten sehr standorttreu sind.

Rosshaar als biologisches Archiv

Pferde oder Esel in einem so großen Territorium wie der Gobi dauerhaft zu beobachten, ist so gut wie unmöglich. Petra Kaczensky und Martina Burnik Šturm vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien bedienen sich deshalb eines wissenschaftlichen Umweges, nämlich der Stabilen Isotopen-Analyse: Isotopen sind unterschiedlich schwere Atome desselben Elements, deren Zusammensetzung je nach geographischer Lage variiert und sich beispielsweise im Gewebe der dort wachsenden Pflanzen niederschlägt. Werden diese Pflanzen gefressen, lässt sich ihre Isotopen-Signatur auch im Gewebe der Konsumenten nachweisen.

Besonders gut geht das bei Geweben, die lange im oder am Körper verbleiben, wie Rosshaar. "Die Schwanzhaare von Pferden und Eseln wachsen kontinuierlich und stellen daher eine Art biologisches Archiv dar", wie Burnik Šturm erläutert. "Davon abgesehen, ist Rosshaar sehr beständig, wodurch wir auch Proben aus länger zurückliegenden Zeiten haben." Außerdem unterscheiden sich die Gräser und Kräuter, die in der Gobi wachsen, in der Zusammensetzung ihrer Kohlenstoff-Atome deutlich von den dort vorkommenden Büschen und Sträuchern. Damit lässt sich klären, welches Pflanzenmaterial die Tiere zu bestimmten Zeiten fressen.

Zahlreiche Konkurrenz

Alle drei Equiden-Arten müssen sich ihre Weidegründe mit jeder Menge Nutztiere teilen: Derzeit stehen in der ganzen Mongolei rund 400 Przewalski-Pferde und 42.000 Kulan ca. drei Millionen Hauspferden und 49 Millionen Schafen, Ziegen und Rindern gegenüber. Im Sommer gibt es gewöhnlich genug Gras für alle, im Winter jedoch herrscht neben Temperaturen von bis zu -43 Grad Celsius auch Nahrungsmangel.

Wie die Arbeiten von Kaczensky, Burnik Šturm und ihren Kollegen zeigten, scheinen alle drei untersuchten Arten imstande zu sein, sich über den Sommer ausreichend Fettreserven anzufressen, um den Winter zu überstehen. Ausnahmen bilden extreme Winter, sog. Dzuds: So reduzierte der bislang letzte Dzud 2009/10 den Bestand an Przewalski-Pferden im Zentrum des Gobi-Schutzgebietes von 129 auf 49. Mittlerweile sind es dank zusätzlicher Transporte aus Europe und Reproduktion vor Ort aber wieder 167 Tiere.

Markante Unterschiede

Sind diese Wildpferde aber noch genauso wie vor ihrer Ausrottung? Oder unterscheiden sie sich in wesentlichen Punkten, die auf lange Sicht ihr Überleben gefährden könnten? Um das herauszufinden, untersuchten Kaczensky, Burnik Šturm und ihre Kollegen mit finanzieller Förderung durch den Wissenschaftsfonds altes Rosshaar von Museumsexemplaren, die Ende des 20. Jahrhunderts in der Gobi erlegt wurden, und Schwanzhaare der wiedereingebürgerten, heute in der Gobi lebenden Przewalski-Pferde. Dabei entdeckten sie sehr wohl Unterschiede, wie sie im aktuellen Fachjournal "Scientific Reports" berichten.

Während die heutigen Przewalski-Pferde das ganze Jahr über ausschließlich Gras fressen, ernährten sich die Tiere vor ihrer Ausrottung nur im Sommer davon; im Winter dagegen machten Sträucher und Büsche einen erheblichen Anteil der Nahrung aus. Die Wildesel machen das nach wie vor so. Diese Umstellung deutet aber nicht darauf hin, dass es den heutigen Takhis schlechter geht oder sie weniger gut angepasst sind, im Gegenteil: Gras ist für Pferde eigentlich das bessere Futter. Dass sie sich die Nahrungsumstellung "leisten" können, liegt an der geänderten Einstellung der Menschen in ihrem Lebensraum. "Die Tiere wurden lange Zeit heftig bejagt und dadurch in die kargeren busch- und strauch-dominierten Weiden abgedrängt", erklärt Kaczensky.

Beliebte Pferde, scheue Esel

Heute sind zwar sowohl Kulane als auch Takhis streng geschützt, doch während die "heiligen Pferde" sehr beliebt sind, werden die Esel häufig als Weidekonkurrenten verjagt und teilweise sogar gewildert. In der Folge haben die Pferde ihre angestammte Lebensweise als "Ganzjahres-Graser" offenbar wieder aufgenommen, während die Kulane dem Menschen weiterhin möglichst ausweichen müssen. Allerdings steigen die Zahlen des Weideviehs in der Gobi weiterhin – ebenso wie die der Takhis. "Auf die Dauer kann es durchaus sein, dass die Haltung der Viehhalter nicht so positiv bleibt", befürchtet Kaczensky. "Deshalb ist es wichtig, die genauen Ansprüche der Tiere zu kennen, damit wir entsprechende Management-Maßnahmen ergreifen können." (Susanne Strnadl, 21.7.2017)