Das fliegende Personals der AUA stellte jüngst klar, dass es mehr Geld will. Zumindest deponierte das der Bord-Betriebsratschef so. Schön und gut, sagt dazu AUA-Chef Kay Kratky. Dann müssten allerdings auch traditionelle "Restanten" angeschaut werden. Der Kollektivvertrag sei nicht ganz so schlank wie immer beschrieben. Für den neuen Langstreckenflieger, der 2018 kommt, braucht man wieder neues Personal. Ein Chaos wie in der Vergangenheit – wo zahlreiche Flüge ausgefallen sind – werde es "sicher nicht" geben.

STANDARD: Sie präsentieren Anfang August die Halbahresbilanz. War das Halbjahr so herausfordernd, wie im Vorjahr angekündigt, oder ist die AUA jetzt tatsächlich saniert?

Kay Kratky: Die ersten zwei, drei Monate waren extrem herausfordernd. Das zweite Quartal hat sich enorm stabilisiert. Der Sommer übertrifft unsere Erwartungen. Es läuft sehr gut. Aus der Sanierungsphase sind wir definitiv raus. Alles erledigt ist damit nicht.

STANDARD: Voriges Jahr gab es ein Plus beim Betriebsergebnis (Ebit) von 20 Prozent. Wird es heuer wie erwartet darunter liegen?

Kratky: Wenn Entwicklung im zweiten Quartal und Vorausschau im Sommer so bleiben, bin ich sehr zuversichtlich, dass das Ergebnis besser wird, als wir im ersten Quartal angenommen hatten.

Kay Kratky will nicht nur über Gehaltserhöhungen reden, sondern auch über Effizienzsteigerungen.
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STANDARD: Sie betonen die Herausforderungen, weil die Mitarbeiter Gehaltserhöhungen fordern?

Kratky: Ich würde mich im Gegenteil sehr freuen, wenn die Ergebnislage so wäre, dass wir den Mitarbeitern sogar Gewinnbeteiligung auszahlen könnten, wie im Kollektivvertrag vorgesehen. Mich hat etwas gewundert, dass der Betriebsrat so laut geklappert hat, wenn noch nicht einmal eine konkretisierte Forderung auf dem Tisch liegt. Die Gespräche sind für den Herbst terminiert.

STANDARD: Und was könnte sich ausgehen?

Kratky: Wir werden über den Spielraum reden, den wir über Gehaltssteigerungen abbilden könnten, und wir werden über den notwendigen Rahmen reden, der über Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen die Balance halten lässt.

STANDARD: Inwieweit betrifft die Mitarbeiter das Thema Produktivitätserhöhung?

Kratky: Wenn wir über neue Schichtpläne, Saisonalisierung der Jahresarbeitszeit, Reservehaltung oder Standby-Versorgung für die Cockpit- und Kabinencrews reden, dann spüren das die Mitarbeiter. Verhandelt wird logischerweise im Austausch mit den Tarif- und Sozialpartnern.

STANDARD: Bei den Cockpit- und Kabinencrews haben Sie schon einen super Kollektivvertrag, er gilt als konzernweit der günstigste.

Kratky: Wir haben einen in weiten Teilen guten Kollektivvertrag, insbesondere im Cockpit- und Kabinenbereich. Das aber in Kombination mit Betriebsvereinbarungen, die teilweise schon uralt und überholungsnotwendig sind. Wir sind da nicht am Ende. Der Kollektivvertrag hat noch zu viele Restanten aus der traditionsreichen Zeit. Da müssen wir ran.

STANDARD: Zum Beispiel?

Kratky: Wir dürfen nur eine bestimmte Anzahl von Bereitschaftsdiensten für die fliegenden Mitarbeiter pro Jahr verplanen. Wenn der betroffene Mitarbeiter seine 30 Tage schon im ersten Halbjahr aufgebraucht hat, kann ich ihn im kommenden Halbjahr nicht mehr als Reserve verplanen. Ich muss dann praktisch unnötig Freizeit geben. Das ist nicht mehr haltbar. Oder zum Beispiel, dass Crews fünf Tage im Monat wählen dürfen, wo sie gerne freihätten. Wenn man sich schon immer gerne im internationalen Vergleich misst, müssen wir auch diese AUA-spezifische Regelungen anschauen.

STANDARD: Stichwort Wettbewerbsdruck. Billigflieger-Konkurrent Easyjet landet in Wien. Überrascht?

Kratky: Wir hatten Indikationen, dass Easyjet aufgrund der Brexit-Thematik verschiedene Standorte in Europa prüft. Dass es jetzt Wien ist ... gut. Der Kanzler ist stolz, der Flughafen feiert sich. Ich verstehe die Euphorie darüber nicht, dass man in dem kleinen Land Österreich mit der ebenso kleinen Luftverkehrswirtschaft perspektivisch in die Richtung arbeitet, den Wettbewerb zu forcieren.

STANDARD: Die AUA hat immer noch einen Marktanteil von 48 Prozent in Wien. Da hat ohnedies der Verkehrsminister lange die schützende Hand über die AUA gehalten.

Kratky: Das war vielleicht vor meiner Zeit. 48 Prozent – als Hubcarrier, der eine Mobilitätsfunktion und volkswirtschaftlich eine Funktion hat, ist das zu wenig. Um vernünftige Strukturen für diese Mobilitätsdienstleistung zu bekommen, braucht man deutlich über 50 Prozent.

Was der AUA-Chef versteht: Der Mensch wünscht sich Stabilität und Sorglosigkeit. Die Zeiten sind vorbei.
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STANDARD: Das schaffen Sie doch heuer. Die Air-Berlin-Kunden brauchen Sie nur einzusammeln.

Kratky: Was sich insgesamt sehr positiv entwickelt, muss ich ja nicht gleich wieder zur Disposition stellen, weil ich mir die anderen Wettbewerber direkt hierher hole.

STANDARD: Der Anteil der Billigairlines am Passagieraufkommen in Wien legte in den vergangenen Jahren deutlich zu. Einer der Wachstumstreiber ist neben Easyjet die Schwester Eurowings. Was bei den AUA-Kollegen wieder die alten Ängste schürt, dass sie unter die Räder kommen. Es wurde wiederholt geklagt, dass die AUA zu wenig investiert.

Kratky: Wir haben massiv investiert. Alleine schon 500 Millionen für den Roll-over von den alten Fokker- auf die modernen Embraer-Flugzeuge. Das war die größte Investition, die jemals bei Austrian Airlines an einem Stück getätigt wurde. Wir haben alleine im letzten Jahr über 500 neue Mitarbeiter eingestellt. Nächstes Jahr bekommen wir ein weiteres Langstreckenflugzeug, das einem Kapazitätswachstum von ungefähr zehn Prozent entspricht. Eines ist wahr: Der Mensch wünscht sich bestimmt Stabilität und Sorglosigkeit. Die Zeiten sind vorbei.

STANDARD: Konkurrenz machen will Ihnen jetzt auf der Langstrecke auch die polnische Lot in Budapest. Sie fliegt nonstop nach New York und Chicago und rechnet auch mit Reisenden aus dem Osten Österreichs und der Slowakei. Auch der Einzugsbereich der AUA. Wie viel wird die Lot Ihnen wegschnappen?

Kratky: Wenn das ein Gegenangebot zu unseren Langstrecken ist, kann das einen gewissen Einfluss haben.

STANDARD: Für ein Wachstum auf der Langstrecke brauchen Sie auch neue Flieger. Die zwölfte Boeing, die sechste 777, kommt im Februar 2018. Ist das nicht reichlich spät?

Kratky: Wachstum muss profitabel gestaltet sein. Es gibt nicht unendlich viele Langstrecken aus Wien, die man mal so schlankweg mit fünf, sechs Interkontinentalfliegern des Typs B777 bedienen kann. Miami und Hongkong stehen zum Beispiel unter Druck. Wir reden über hohe zweistellige Millionenbeträge, die so ein Flugzeug erst einmal in der Anschaffung verschlingt und dann natürlich auch im Betrieb – das muss sich rechnen.

STANDARD: Was bedeutet profitables Wachstum in Zahlen?

Kratky: Wenn wir 2018 ein Ergebnis (Ebit) haben, das im dreistelligen Millionenbereich ist, irgendwas deutlich über hundert. Dann werden wir darüber diskutieren, wie der Roll-over auf der Langstrecke zu gestalten ist.

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Ein Chaos wie im Sommer 2016, wo ständig Flüge gecancelt werden mussten, gäbe es 2018 mit dem neuen Flieger "sicher nicht."
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STANDARD: Brauchen Sie mit der neuen Boeing neues Personal?

Kratky: Ja. Ein Langstreckenflugzeug in der Größenordnung bindet etwa 150 direkte Arbeitsplätze, Cockpitcrew, Kabinencrew, teilweise Mechaniker, teilweise Administrationspersonal. Bei den Piloten sind wir schon im Aufschulungsszenario.

STANDARD: Wird das so chaotisch wie im Sommer 2016, wo ständig Flüge gecancelt werden mussten?

Kratky: Nein. Sicher nicht.

STANDARD: Ich habe Ihnen noch eine parlamentarische Anfrage an den Verkehrsminister mitgebracht mit dem Betreff "Skandalös hohe Zahl an Flugstreichungen bei der AUA –besonders betroffen sind Tagesrandflüge wegen technischer Probleme". Können Sie sie beantworten?

Kratky: Wir bereiten gerade die Fakten auf. Es kann sein, dass tatsächlich durch eine unglückliche Häufung von Zufällen auf einer Strecke der Eindruck entstehen kann, dass da etwas nicht stimmt. In diesem Fall betrifft es Klagenfurt. Aber so etwas kann passieren. So eine Anfrage muss man ja eher ganzheitlich betrachtet beantworten.

STANDARD: Nämlich wie?

Kratky: Zehn gestrichene von tausend Flügen, das ist ein Prozent. Das heißt, wir haben eine Zuverlässigkeit von 99 Prozent, das ist ein sehr hoher Wert. Wir stehen verglichen mit anderen Airlines top da, auch wenn jeder gestrichene Flug für unsere Kunden einer zu viel ist. (Regina Bruckner, 23.7.2017)