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April 2015: Mit einer Fähre werden Flüchtlinge von Lampedusa aufs Festland gebracht. Mittlerweile kommen nur noch wenige Migranten auf der italienischen Insel an.

Foto: AP / Francesco Malavolta

Bei einem Treffen in Wien hatte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) den italienischen Amtskollegen Angelino Alfano am Donnerstag aufgefordert, den "Fährverkehr für illegale Migranten zwischen den Inseln wie Lampedusa und dem Festland einzustellen". Wenn Menschen nach ihrer Rettung möglichst schnell auf das Festland gebracht würden und dann weiterziehen könnten in Richtung Norden, werde nicht nur die Überforderung in Mitteleuropa immer größer, sondern es führe dazu, dass sich immer mehr auf den Weg machten, die Schlepper immer mehr verdienten und immer mehr Flüchtlinge ertränken, so die Überlegung.

Die Insellösung schwebt Kurz schon länger vor. Sie wäre vielleicht auch in Italien mehrheitsfähig – vorausgesetzt, dass es sich nicht um eine italienische Insel handelt. Lampedusa gehört aber verwaltungstechnisch zu Sizilien, und deshalb fand auch der Sizilianer Alfano die Idee mit Lampedusa nicht wirklich gut.

"Das habe ich ihm ins Gesicht gesagt"

Beim gemeinsamen Auftritt vor der Presse machte er noch gute Miene zum bösen Spiel – doch am Abend, als nur noch italienische Journalisten zugegen waren, mochte er seine Irritation nicht mehr verbergen. "Die Erklärungen von Sebastian Kurz? Das sind seine Ideen für den Wahlkampf. Das habe ich ihm ins Gesicht gesagt."

So richtig ausgegoren wirkt der Vorschlag mit Lampedusa in der Tat nicht – schon allein von den Zahlen her: Von den bisher 93.000 Flüchtlingen, die heuer Italien erreicht haben, sind nur 5000 in Lampedusa an Land gegangen. Wären sie alle dort geblieben, hätte das am Problem letztlich wenig geändert. Natürlich könnte man sämtliche Flüchtlinge nach Lampedusa bringen – was vermutlich am ehesten den Kurz'schen Vorstellungen entspräche -, aber irgendwann würde man an eine Grenze stoßen: Die Insel ist 20 Quadratkilometer groß. Zur Orientierung: Der Wiener Gemeindebezirk Simmering hat 23 Quadratkilometer.

Kurz hatte bei seinem Treffen mit Alfano noch einen weiteren Vorschlag auf Lager, wobei er freilich das Copyright seines Parteikollegen und Innenministers Wolfgang Sobotka verletzte: Falls die Italiener damit beginnen, provisorische Schengen-Visa an Flüchtlinge auszustellen, werde der Brenner dichtgemacht, sagte Kurz. Damit hatte vergangene Woche schon Sobotka gedroht – obwohl man in Rom nicht im Traum daran denkt, irgendwelche Visa auszustellen, wie Regierungschef Paolo Gentiloni dem österreichischen Kanzler Christian Kern (SPÖ) versicherte. Angesichts des Umstands, dass auf dem Brenner seit Monaten kaum noch ein Flüchtling gesichtet wird, wird die Drohung mit der Sperrung in Rom inzwischen bloß noch mit bedauerndem Schulterzucken quittiert.

So richtig aufregen über die Äußerungen von Kurz wollten sich in Italien ohnehin nur noch wenige, etwa der Bürgermeister von Lampedusa, Totò Martello. Der politisch links stehende Berufsfischer verglich Kurz mit einem "Neonazi". Und Vizeaußenminister Mario Giro stellte am Freitag angesichts des Inselvorschlags klar: "Italien wird keine KZs aufbauen." (Dominik Straub aus Rom, 21.7.2017)