Die PKK ist auch auf deutschen politischen Terrain ein Thema.

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Einer der Vorwürfe Ankaras an Deutschland lautet: Berlin gewähre Terroristen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK Unterschlupf. Wegen deren angeblicher Nähe zur PKK hat der türkische Präsident Tayyip Erdogan zudem Abgeordneten des Deutschen Bundestags verweigert, Bundeswehrsoldaten auf den türkischen Stützpunkten Incirlic und Konya zu besuchen.

Erdogans Kritik scheint überwiegend unbegründet zu sein. PKK-Funktionäre dürften in Deutschland so restriktiv verfolgt werden wie in kaum einem anderen europäischen Staat: Seit 1993 sind etwa 100 PKK-Leute verurteilt worden. Aus Sicht Erdogans sind die Vorwürfe aber zumindest in Teilen erklärbar, sagt der aus Syrien stammende Kurde Siamend Hajo vom Europäischen Zentrum für kurdische Studien in Berlin dem STANDARD: In Deutschland leben rund 800.000 Kurden, die meisten sind als türkische Gastarbeiter nach Deutschland eingereist. "Der Einfluss der PKK auf die Kurden in Deutschland ist noch heute sehr groß", erklärt Hajo, Vorsitzender der Kurdischen Zukunftsbewegung: "Seit dem Bürgerkrieg in Syrien erlebt die PKK in Deutschland eine Renaissance."

Verwandte Schwesterorganisation

Der Verfassungsschutz geht von rund 14.000 Personen aus, die versuchen, die Strukturen der PKKaufrechtzuerhalten. Weil die PKK verboten ist, versucht die kurdische Arbeiterpartei über die in Europa nach außen hin moderat auftretende, mit der PKK ideologisch verwandten syrischen Schwesterorganisation Partei der Demokratischen Union (PYD) in Deutschland Fuß zu fassen.

Das Innenministerium hat vor kurzem auf Druck der Türkei das Zeigen von Symbolen der PYD in Deutschland verboten. Im Gegensatz zur PKK ist die PYD als Organisation aber erlaubt.

Laut Ansicht Ankaras kämpft die PYD über ihren bewaffneten Arm YPG in Nordsyrien für einen unabhängigen Kurdenstaat. Hajo ist überzeugt, dass Deutschland die Schwesterorganisation der PKKdeshalb nicht verbietet, weil sie mit militärischer Unterstützung der USA in Syrien gegen den IS kämpft: "Deutschland will den Verbündeten USA nicht brüskieren, indem die PYD verboten wird", so Hajo. Insofern lasse sich Erdogans Ärger über Deutschland teilweise nachvollziehen.

Angst vor Kurdenstaat

Erdogans Urangst ist, dass das türkische Staatsgebiet zersplittert wird, wenn sich in Syrien durch die USA hochgerüstete Kurden für einen eigenen Staat einsetzen.

Das Verhältnis zwischen Ankara und Berlin bleibt indes angespannt. Finanzminister Wolfgang Schäuble verglich die Türkei in einem Interview mit der Bild angesichts der Verhaftungen von Menschenrechtsaktivisten und Journalisten mit der DDR. "Die Türkei verhaftet inzwischen willkürlich und hält konsularische Mindeststandards nicht ein. Das erinnert mich daran, wie es früher in der DDR war", sagte Schäuble.

Zu den Hintergründen des aktuellen Konflikts zählt die Inhaftierung mehrerer Deutscher in der Türkei, darunter die eines jungen Menschenrechtlers. Berlin hatte am Donnerstag die Reisehinweise für die Türkei verschärft. Präsident Erdogan warf Deutschland deshalb am Freitag "Drohungen" vor, die der Türkei jedoch keine Angst machen würden. Deutschland solle "sich zusammenreißen", so Erdogan. (Christoph Reichmuth aus Berlin, 22.7.2017)