Jedes Jahr vor dem Sommerurlaub veröffentlicht die EU-Kommission verstärkt Berichte und Statistiken über die von ihr geleistete Arbeit. "Alles muss raus" scheint das Motto zu sein, so umfangreich ist das Zahlenmaterial. So war es auch beim 34. Jahresbericht zum Stand bzw. zur Säumigkeit der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Recht vor zwei Wochen.

Er beschreibt, wie viele tausend Beschwerden, Mahnungen, gelöste Fälle 2016 abgearbeitet wurden, bis am Ende relativ wenige Klagen vor dem Gerichtshof übrigblieben, weil 28 Staaten Regeln vorsätzlich nicht umgesetzt haben. Gehäuft geht es dabei um den Verkehrs- und Umweltbereich, von der Führerscheinrichtlinie bis zu gefährlichen Stoffen im Wasser. Die Grünen haben das nun als Wahlkampfthema entdeckt. Weil Österreich 2016 auffällig viele neue Mahnungen aus Brüssel bekommen habe, sei quasi amtlich, dass es in der Regierung neue EU-Skepsis gebe.

Nun stimmt zwar, dass Wien mit 49 Neufällen punktuell weit vorne liegt. Aber geht man genauer in die Statistik, zeigt sich bald, dass Österreich bei der Reaktionszeit auf Einwände so schlecht gar nicht liegt, bei der Gesamtzahl ungelöster Fälle eher im Mittelfeld. Vieles wird konsensual gelöst. Auch das ist nicht gut für ein Land, das so stark vom EU-Beitritt profitierte. Aber selektives Operieren mit EU-Statistiken sollte eine profunde EU-Debatte der Parteien nicht ersetzen – auch nicht, wenn grad Wahlkampf ist. (Thomas Mayer, 21.7.2017)