Prostituierte in Wien. In Westeuropa sind einheimische Frauen in der Sexarbeit inzwischen eine rare Ausnahme.

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Wien – Die Suche nach Prostituierten, die von Menschenhändlern zu dieser Arbeit gezwungen werden, lief in Österreich vier Tage lang. Von 26. bis 30. Juni durchkämmten Polizisten und Ermittler bundesweit 172 Örtlichkeiten der Rotlichtszene, darunter 82 Bordelle, vier Hotels, 26 Wohnungen, vier Tabledance-Lokale und eine Escortagentur. Dabei kontrollierten sie bundesweit 597 Prostituierte und 171 Personen aus dem sogenannten Milieu.

Die Ermittlungen waren Teil einer von der EU-Strafverfolgungsbehörde Europol koordinierten, vom Internationalen Ermittlungsbüro gegen Schlepperei in Wien geleiteten Schwerpunktaktion in 22 Staaten. Insgesamt wurden 910 mögliche Menschenhandelsopfer identifiziert und 107 Verdächtige festgenommen.

Schwere Ausbeutung

Fünf dieser Festnahmen gab es in Österreich – und es wurden zwölf Frauen gefunden, die derart schwer ausgebeutet und in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt waren, dass der Verdacht moderner Sklaverei naheliegt. Sie stammen aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Nigeria und sind zwischen 18 und 40 Jahren alt.

Diese Frauen seien "zwar nicht eingesperrt, aber extrem eingeschüchtert" gewesen, schildert Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperei und des Menschenhandels im Bundeskriminalamt (BKA): "Ihr Lebensraum war sehr eingeengt, teilweise kannten sie nicht einmal den Supermarkt ums Eck."

Laut dem BKA-Menschenhandel-Bericht 2015 – einen jüngeren Bericht gibt es nicht – werden vor allem Frauen aus Ost- und Südosteuropa unter Vorspiegelung einer Liebesgeschichte oder mit anderen falschen Versprechungen nach Westeuropa gelockt. Statt hier, wie vereinbart, nur kurz als Prostituierte arbeiten zu müssen, werden sie in der Folge in immer größere Abhängigkeit gebracht: durch eine behauptete Verschuldung oder pure Gewalt.

Gefährdete Nigerianerinnen

In hohem Ausmaß treffe das auf Frauen aus Nigeria zu, heißt es in einem vor wenigen Tagen veröffentlichten Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Unter den 2016 aus Booten geretteten 11.009 Nigerianerinnen seien 8.277 – also 75 Prozent – als potenzielle Opfer von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung identifiziert worden. Verdacht bestehe immer dann, wenn eine Frau ihre Überfahrt nicht bezahlen musste. Meist werde sie in der Folge gezwungen, die Kosten per Sexarbeit zu tilgen.

Zwangsprostituierte werden in Österreich nach ihrem Ausstieg von der Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandels (Lefö/IBF) betreut. Sie können – so sie Drittstaatsangehörige sind – mindestens ein Jahr in Österreich bleiben. Erstatten sie gegen ihre Schlepper und Exzuhälter Anzeige, so kann ihr Aufenthaltstitel befristet verlängert werden.

Chinesinnen weisen Opfersein zurück

In Österreich arbeiten unterdessen seit mehreren Jahren immer mehr Chinesinnen als Prostituierte. Diese kämen oft von sich aus in die Beratung, die der Verein für Migrantinnen in der Sexarbeit anbietet, schildert Lefö/IBF-Sprecherin Renate Blum. Dass sie Opfer von Menschenhändlern seien, weisen die Chinesinnen vielfach von sich. Bei der österreichweiten Polizeiaktion Seqing zwischen Ende 2015 und Jänner 2017 mussten Ermittler den Frauen diesbezüglich Sachbeweise auf den Tisch legen. (bri, 24.7.2017)