Rätselhafte Fäden, gesichtet auf den oberen Wolken der Venus-Nachseite mit dem Spektrometer VIRTIS an Bord der Raumsonde Venus Express.

Foto: ESA, S. Naito (Acamon), R. Hueso (UPV/EHU) and J. Peralta (JAXA)

Beispiele für neue Arten von Wolkenformen, die mithilfe von Venus Express (ESA) und dem Infrarot-Teleskop IRTF (NASA) auf der Nachtseite der Venus entdeckt wurden: Links oben: Unbewegliche Wellen (Venus Express, links oben), "Netz"-Muster (IRTF, oben rechts), rätselhafte Fäden (Venus Express, unten links) und dynamische Instabilitäten (Venus Express, unten rechts).

Fotos: ESA, NASA, J. Peralta (JAXA) und R. Hueso (UPV/EHU)

Köln – Oberflächlich betrachtet erscheinen die Venus und die Erde wie Zwillinge. Beide Planeten sind fast gleich groß, beide verfügen über ein komplexes Wettersystem. Damit allerdings enden die Gemeinsamkeiten auch schon wieder, denn während auf der Erde lebensfreundliche Durchschnittstemperaturen herrschen, hat man es auf der Venusoberfläche mit geradezu höllischen Bedingungen zu tun: Auf dem Boden ist der Luftdruck etwa 90 Mal so hoch wie auf der Erde – das entspricht dem Druck in über 900 Metern Meerestiefe. Eine dichte Wolkendecke aus Schwefelsäuretröpfchen lässt nur zwei Prozent des Sonnenlichts passieren und beschert der Venusoberfläche ewiges Zwielicht. Und die Temperaturen sinken dank eines galoppierenden Treibhauseffektes nie unter 440 Grad Celsius.

Wolken rotieren rasant

Darüber hinaus benötigt die Venus rund 243 Erdtage, um sich einmal um sich selbst zu drehen. Eigentlich sollte sich ihre Atmosphäre im gleichen Rhythmus drehen, statt dessen jedoch rotiert sie in nur vier Erdtagen um die Venus. Dieses Phänomen wird als Superrotation bezeichnet, seine Ursache stellt die Wissenschafter immer noch vor ein Rätsel. Nun aber hat ein internationales Forscherteam Hinweise auf den Antrieb entdeckt, der hinter der Superrotation steht: Atmosphärische Wellen, die anhand von Temperaturschwankungen nachgewiesen werden konnten, scheinen eine wichtige Rolle zu spielen, berichten sie im Fachjournal "Nature Astronomy".

Die Messungsergebnisse wurden von einer internationalen Kollaboration unter der Leitung des Institute of Space and Astronautical Science, Japan Aerospace Exploration Agency (JAXA) erarbeitet. Die Wissenschafter haben Daten von der Raumsonde Venus Express ausgewertet und dabei auf Basis von Infrarotstrahlungsmessungen bei 3,8 und 5,0 Mikrometer, die in den Jahren 2006 bis 2008 und 2015 gewonnen wurden, wichtige Informationen über die komplexe Atmosphäre der Venus gesammelt.

Schwerewellen in der Atmosphäre

Konkret lieferte das Instrument VeRa (Venus Express Radio Science) der Venus Express-Sonde den Astronomen ein Bild vom Zusammenspiel vertikaler und horizontaler Atmosphärenwellen auf der Nachtseite der Venus. Das Ergebnis sind stationäre Schwerewellen, die vermehrt über erhöhtem Gelände auftreten. Dies würde nach Ansicht der Forscher nahelegen, dass diese Wellen durch die Strömung des Windes über topographische Hindernisse entstanden sind. "Wir vermuten, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Superrotation der Venusatmosphäre liefern", meint Koautorin Silvia Tellmann von der Universität zu Köln. (red, 29.7.2017)