Die Finnin Samira Elagoz bei ihrer Feldforschung.

Foto: Samira Elagoz

Wien – Zum Verhältnis zwischen Körper und Kamera gibt es zahllose künstlerische Statements. Verständlich: Die Omnipräsenz von Kameras im Alltag macht dieses Thema immer brisanter.

Genau an dieser Brisanz scheitert der französische Choreograf Gaëtan Rusquet (33) mit seiner neuen Performance As We Were Moving Ahead Occasionally We Saw Brief Glimpses of Beauty (in process). Die Arbeit wird im Rahmen der Jungchoreografen-Plattform [8:tension] von Impulstanz im Leopold-Museum gezeigt.

ImPulsTanz

Anfangs halten ein Mann und eine Frau auf die eigenen Körper gerichtete Videokameras, ihre Bilder werden abwechselnd auf eine Wand projiziert. Das Paar unterzieht diese Selfies einem choreografischen Prozess. Dieser kulminiert darin, dass sich die beiden, durch einen weiteren Tänzer ergänzt und ihrer Kleider entledigt, die Kameras abwechselnd in den Mund und an den Hintern führen.

In dieses an sich schon banale Bewegungsmuster fügt Rusquet auch noch Videoszenen ein, die die drei Performer beim Urlauben am Strand zeigt. Kameras sind gnadenlos. Hier kompromittieren ihre Bilder jene, die hipsterlocker mit ihnen kokettieren wollten. Am Ende von As We Were Moving ... steht bloß eine naive Plänkelei. Das von Gaëtan Rusquet sehen zu müssen enttäuscht herb. Hatte der Künstler doch erst 2014 bei Impulstanz mit seiner außergewöhnlichen choreografischen Installation Meanwhile auf sich aufmerksam gemacht.

Im Pop- und Medienmorast

Was treibt die jungen Choreografinnen und Choreografen eigentlich gerade an? Nach vier bisher bei [8:tension] gezeigten Produktionen, darunter eine österreichische, fällt die Zwischenbilanz ambivalent aus.

Die Generation um die dreißig scheint tief im Pop- und Medienmorast festzustecken. Das macht rotzig, wie Claire Vivianne So-bottke aus Deutschland mit ihrer narzisstischen strange songs-Soloshow gezeigt hat, sinnloses "audience-shaming" inklusive.

Oder man versteckt sich im Unbestimmten. Demonstrative Auftrittsschwäche bringt Sensibilitätspunkte, wie sie Costas Kekis, Anna Prokopová und Petr Ochvat in ihrem Trio It beats soft in the veins bereits zu Beginn des Festivals zu reklamieren suchten.

Von anderem Kaliber ist die Choreografin und Künstlerin Samira Elagoz, 1989 in Helsinki geboren. Ihre Dokuperformance Cock, Cock.. Who's There? kommt sehr persönlich daher und handelt vom Albtraum zweier Vergewaltigungen. Anders als das thematisch gleiche Stück ineter(a)nal f/ear der US-Amerikanerin Rebecca Patek, die 2014 bei [8:tension] zu sehen war, ist Elagoz' Stück kein Psychostrip, sondern die ehrliche Aufarbeitung ihrer desaströsen Erfahrungen.

Überlegen und getroffen, offen, ironisch und unnachsichtig führt Elagoz vor, wie sich Männer mit verkorksten Sexfantasien und eitlen Gockeleien zu lächerlichen Würsteln machen. Sie zeigt, auf welchen Irrwegen sie sich befinden und wie sie dazu neigen, sich an Frauen für ihre Verlorenheit zu revanchieren. Ein Stück, das punktgenau trifft. Männer sollten es sich dankbar anschauen. (Helmut Ploebst, 25.7.2017)