Ari Martinez Cepeda und Johannes Mantler machten Catering in Mexiko, jetzt betreiben sie eine feine Cantina am Wagram.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Tacos mit in Guinness geschmortem Rind, gerösteter Chili-Paradeiser-Salsa und gegrillten Pimientos de Padrón.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Von einer Veranda mit Rattansesseln fällt der Blick auf große, alte Bäume, kurzgeschnittenen Rasen und einen Springbrunnen. Über den nahen Bahngeleisen geht die Sonne unter, im Glas klimpert ein exotisch aufgezwirbelter Gin Tonic, von irgendwo ertönt Mariachi-Musik: Klingt wie eine noble Hacienda irgendwo in der neuen Welt, ist aber das Freibad beim Bahnhof Absdorf-Hippersdorf am Wagram, kaum eine halbe Stunde von der Stadtgrenze Wiens entfernt.

Johannes Mantler aus Absdorf und Ari Martinez Cepeda aus Monterrey haben einander in Wien kennengelernt, zogen dann nach Mexiko, um ein Cateringbusiness aufzubauen. Seit vergangenem Jahr sind sie wieder da und betreiben die Kantine des Freibads, vor allem aber das nebenan gelegene, aufwendig umgebaute Restaurant. Von neun bis elf Uhr gibt es Frühstück, da bieten Huevos Rancheros oder Pancakes mit Ahornsirup Stärkung für den Tag am Pool. Dann sperrt das Restaurant auf, schließlich will die Pommesfritteuse der Badkantine beizeiten angeworfen und der Schleckeisvorrat aufgestockt werden. Ab halb sieben aber geht es wieder los. Was Ari dann an mexikanischen Köstlichkeiten aus der Küche schickt und nach Art eines auch sonst sehr südlich anmutenden Familienbetriebs von Mantlers Mutter und Schwester auftragen lässt, kann sich echt sehen lassen.

Ceviche vom Bioseesaibling

Exzellente Guacamole zum Beispiel, die mit fett knusprigen, hausgemachten Tortillachips auf den Tisch kommt. Oder saftiges, ganz kurz mariniertes Ceviche vom Bioseesaibling, mit Avocadokräutercreme, gewürfelter Mango, Ingwer und eingelegten roten Zwiebeln angemacht, das die exotische Kombination aus süßer Frucht und bissiger Zwiebel überzeugend vermittelt – manch einen Ceviche-Aficionado ob des milden Säureeinsatzes aber nach mehr Limette rufen lässt. Aguachile vom Lachs mit Chilisojasauce sieht hübsch aus, allerdings würde der tranige Turbofisch mehr Punch bei den Gewürzen (und ebenfalls mehr Zitrussäure) vertragen – hier scheint die Jefe de cocina sich am vermuteten Publikumsgeschmack zu orientieren.

Das ist bei den Enfrijoladas zum Glück nicht so: Die mit Käse gefüllten Maistortillas werden mit lauwarmer Bohnencreme, klassischer Pico de gallo aus gehackten Paradeisern, milden Zwiebeln und Serrano-Chilis mit Limette und Koriander sowie, natürlich, Avocado kombiniert. Die tolle Konsistenz der Tortillas – elastisch, bissfest, zwischen rauchigen Röstaromen, Kukuruzsüße und dem Schmelz des Käses spielend – wird von der mit Kreuzkümmel abgeschmeckten, samtigen Creme und der animierend knackigen, fruchtig-scharfen Salsa ideal begleitet – eine hochgeschmackvolle, vegetarische Hauptspeise, die einen keinen Moment an Verzicht denken lässt.

Cochinita pibil

Und zwar obwohl die Tacos mit Fleisch ganz schön etwas vorlegen. Jene mit Cochinita pibil etwa: Schweinsschulter, in Zitronensaft mariniert und mit Annattosamen gewürzt, bevor sie bis zum Zerfall geschmort und als aromatische Schweinerei auf Tacos gehäuft und mit Avocado (was sonst?) sowie marinierter Zwiebel garniert wird. Die Tacos werden dann vom Gast gefaltet und mehr oder weniger elegant mithilfe der Hände verzehrt. Oder (siehe Bild), nicht minder hübsch anzusehen: jene mit in Guinness geschmortem Rind, gerösteter Chili-Paradeiser-Salsa und gegrillten Pimientos de Padrón, deren zartbittere Süße wunderbar mit dem Schmelz des Fleisches harmoniert.

Hinterher sind frisch frittierte und in Zimtzucker gewendete Churros Pflicht – so zart, geradezu wolkig und doch knusprig bekommt man die sonst nämlich nirgends. Und mit einer Sauce aus besserer Schokolade zum Tunken auch nicht. (Severin Corti, RONDO, 28.7.2017)