Die Schiffswerft STX – ehemals Chantiers de l'Atlantique – ist Aushängeschild der französischen Schiffsbaukunst. Durch Verstaatlichung will man Fincantieri das Sagen nehmen.

Foto: STEPHANE MAHE

Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hat am Donnerstag bei einer Pressekonferenz bekanntgegeben, dass seine Regierung die Schiffswerft STX – ehemals Chantiers de l'Atlantique – "zeitweilig" verstaatlichen werde. Damit schiebt er der Übernahme durch die italienische Fincantieri auf brüske Weise einen Riegel vor.

Ex-Präsident François Hollande hatte die riesige Anlage mit 350 Meter langen Trockendocks zu Jahresbeginn für knapp 80 Millionen Euro an Fincantieri verkauft. Das staatliche Schiffbauunternehmen aus Triest übernahm zusammen mit einem italienischen Investor 55 Prozent der Anteile von einem Pleite gegangenen Verkäufer aus Südkorea.

Zudem hat sich die Lage von STX-France merklich gebessert: Mehrere Aufträge für den Bau gewaltiger Kreuzfahrtschiffe schlagen derzeit mit 4,5 Milliarden Euro zu Buche. Dagegen wirkt der Kaufpreis von 79,5 Millionen heute wie ein Schnäppchen.

Deal neu aushandeln

Macron wollte den Deal deshalb neu aushandeln. Er verlangte einen Anteil von 50 Prozent für die französische Seite, bestehend namentlich aus dem Staat und dem Schiffsbauunternehmen Naval Group (ehemals DCNS). Den gleich hohen Anteil wollte er "den italienischen Freunden" überlassen, wie Wirtschaftsminister Bruno Le Maire sagte.

In Triest wies man diesen Vorschlag erbost zurück. "Es gibt keinen Grund für Fincantieri, auf die Mehrheit zu verzichten", erwiderte Finanzminister Pier Carlo Padoan am Mittwoch in Rom. Sein Regierungskollege für Wirtschaftsentwicklung, Carlo Calenda, meinte an Macrons Adresse gerichtet, der STX-Deal sei "ein guter Test, um zu sehen, ob derjenige, der von Europadenken und liberalen Werten spricht, sie letztlich auch anwendet".

Macron bestand den Test nicht: Sein erster industriepolitischer Entscheid von Bedeutung ist weder liberal noch europäisch, sondern national und etatistisch. Indem seine Regierung das Vorkaufsrecht ausübt und ihren bisherigen Anteil von 33 auf "klar über 50 Prozent" (so Le Maire) erhöht, bringt sie Fincantieri um die Kapitalmehrheit an STX.

Reise nach Italien

Le Maire rechtfertigte sich, das Vorkaufsrecht wäre am 29. Juli verfallen, weshalb es die Regierung habe ausüben müssen, um die Neuverhandlung des Dossiers mit Fincantieri zu ermöglichen. Der Minister will am Dienstag nach Italien reisen. Den Italienern die Mehrheit zu überlassen, dazu sei Frankreich aber nicht bereit.

Bei einer Pressekonferenz musste sich Le Maire gegen eine Flut italienischer Fragen verteidigen, warum Frankreich das nationale über das gesamteuropäische Interesse stelle. Der destabilisierte Minister erklärte, Macron sei "sehr proeuropäisch", verteidige aber auch "nationale Interessen". Kritik aus Italien gibt es auch, weil französische Konzerne wie Vivendi, Carrefour, LVMH, Engie, BNP Paribas oder Axa in den letzten Jahren am Stiefel für Milliarden Firmeneinkäufe getätigt haben – jetzt, wo die Italiener Gegenrecht verlangen, legt Paris sein Veto ein.

Auch in Paris fragen Medien wie "Le Figaro" stirnrunzelnd, warum "die erste große industriepolitische Entscheidung" des angeblich so liberalen und europäischen Staatspräsidenten ausgerechnet in einer Verstaatlichung bestehe. (Stefan Brändle aus Paris, 27.7.2017)