Dieser Sommer ist der letzte für Mates kleines Häuschen und die Feigen dort.

Foto: Bogumil Balkansky

Morgens bereitet Mate Kaffee und ein karges Frühstück, das er und seine Liebelei gleich hinter der Kate verspeisen.

Foto: Bogumil Balkansky

Die Kate und das Land, auf der sie steht, werden bald verkauft, denn Mate braucht Geld, um es in eine Olivenpresse zu investieren.

Foto: Bogumil Balkansky

Über sein kleines Glück habe ich schon geschrieben: eine etwas ungelenk gebaute Kate auf dem Hügel des hl. Vinzenz von Ferrara nördlich von Sutivan. Mate der Chronist kommt immer hierher, wenn ihm der Sommer im Dorf zu laut wird. Dann sitzt er auf dem flachen Dach, isst Feigen und nippt am Schnaps, den er selbst brennt. Doch dieser Sommer ist der letzte für Mates Kate und die Feigen dort. Nur der Schnaps bleibt – und eine frische Liebe!

Was ist ein galeb?

Galeb, so nennt man hier die Möwe – und den typischen dalmatinischen Herzensbrecher, der die "fureštice", die Touristinnen, beglückt. Doch Mate ist auch hier eine Klasse für sich. Der übliche galeb ist jung, sportlich und hat ein Plastikboot mit drei Millionen PS, also eine rasende maritime Fickplattform. Mate hingegen ist vierzig, hat einen veritablen Bauch, rote Wangen und fährt immer mit seinem alten Fahrrad zum Strand.

Was Mate allen anderen galebi von Sutivan voraushat, sind drei simple, aber schwer zu erwerbende Dinge: Humor, Charme und Stil. Und seine Kate auf dem Hügel des hl. Vinzenz. Und das sympathischste Grinsen eines großen, stillen Knaben, der es nie eilig hat, immer langsam isst, trinkt und lacht. Das sind jetzt schon fünf oder sechs schwer zu erwerbende Dinge. Doch kurz gesagt: Wäre ich eine fureštica, ich würde mich Mate hingeben.

Mate ist kein Mann für eine Nacht. Wenn er eine Touristin "in Arbeit hat", dann bleibt er nur "ihr galeb". Bis sie wieder abfährt. Er gibt jeder dieser Frauen das Gefühl, sie sei die Einzige in Mates Sommer. Und Mate gibt sich große Mühe. Es ist aber nicht die verschwitzte, geheuchelte Mühe, die möglichst schnell zum Koitus führen soll. Mate lässt seine Sommerliebeleien langsam und angenehm in seine Arme gleiten, fast als ob er der Anbieter eines "Susi-Sorglos-Pakets" für alleinreisende Touristinnen wäre, wobei der Koitus erst der Zuckerguss ist, nicht das am Strand schnell verschlungene Ćevapčić, das die anderen galebi im Programm haben.

Auf den Schwingen der Möwe

Mate borgt sich von seinem Cousin Markiša die liebevoll gepflegte weiße Gajeta, deren Holz vor fast hundert Jahren gefällt wird, um sie zu bauen. Wie die Alten vor ihm setzt er das lateinische Segel, und ein freundlicher Wind hilft ihm aus dem Hafen. Den uralten Penta-Motor im Boot lässt er nur zur Sicherheit mitlaufen, der Ganghebel bleibt auf Leerlauf. Mate ist einer der Letzten, die dieses Manöver unter Segeln noch makellos ausführen können.

Wenn die Gajeta langsam Fahrt aufnimmt, holt Mate ein wenig Pršut, ein Glas mit Oliven, etwas Brot und den Wein, den der alte Kravica macht, aus dem Rucksack. Doch er bietet es nicht an, sondern beginnt selbst und mit großem Genuss zu jausnen, während er die Pinne langsam hin und her wiegt, um das Boot auf Kurs zu halten. Das macht er, weil man Mate um nichts bitten muss, ihn nach nichts fragen muss, man muss sich nur dazusetzen und mitessen und mittrinken. Genau das, von Mates wortlosem Angebot wie vom Magneten angezogen, machen die Frauen. Sie setzen sich zur Pinne dazu, kosten von allem, was auf der Abdeckung der Penta, die als Tisch dient, ausgebreitet ist. Bald hat Mate eine Hand an der Pinne, und mit der anderen streichelt er Frauenhaar im Wind.

Es ist, als ob die Gajeta von alleine den Weg in die Bucht von Stipanska findet, die noch oft von urlaubenden Joghurtbecher-Kapitänen unverseucht ist. Dort wirft Mate den rostigen Anker, sichert das Boot noch mit einer Leine an Land – und wird zum Delfin. Denn im Meer ist Mate ein Adonis oder vielmehr der Nachfahre eines langen Stammes von Vorfahren, die stets mit und manchmal gegen das Meer müssen.

Wer die Sterne holt

Mate holt sie aus der Tiefe, zeigt sie seiner Sommerliebelei, erklärt die Namen dafür, die in Dalmatien üblich sind, und lässt sie wieder in die Tiefe gleiten. Dann reißt er einige Muscheln von den Felsen, fängt drei, vier Krabben und entzündet den kleinen Gaskocher in der Gajeta. Kurze Zeit später löffeln beide die Suppe der Fischer von Dalmatien, mit einigen Reiskörnern veredelt, wie man sie in keinem Restaurant dieser Welt für Geld kaufen kann.

Wenn dann pünktlich mittags, als ob ihn die Schweizer Uhrmacher machen würden, der Maestral einsetzt, setzt Mate wieder das Lateinersegel. Der Maestral, den man hier auch den "Freund der Seeleute" nennt, trägt die Gajeta schnurgerade nach Süden, zurück in den Hafen von Sutivan. Am Abend fährt dann Mate hinauf zum Hügel des hl. Vinzenz und zeigt seinem Gast auf dem Dach der Kate die Sterne über Sutivan. Und weil er einige Jahre zur See fährt und die Sterne aller Ozeane kennt, muss er keine Lügenmärchen erzählen. Später dann sieht die Sommerliebelei selbst noch Sterne, wenn sie längst in Mates Armen schläft.

Morgens, von der Sonne geweckt, bereitet Mate Kaffee und ein karges Frühstück aus Eiern und Speck auf offenem Feuer in einer improvisierten Feuerstelle aus Stein, gleich hinter der Kate. Das genießen dann beide vor der Kate, deren wackeliges Dach gleichzeitig als kleine, schattige Veranda dient. Nur der Morgenwind ist bei diesem Frühstück ein Zeuge. Doch sein Flüstern wird Mates Glück niemandem zutragen, der missgünstig ist. Weil Mate und der Morgenwind auf dem Hügel des hl. Vinzenz alte Freunde sind.

Adio amore!

Diesen Gruß zum Abschied stehlen die Dalmatiner einst von den Königstigern der Sommerliebelei, den Italienern. Und Mate sagt ihn zwei, drei Mal jeden Sommer, wenn er mit seinem klapprigen R4 seine Sommerliebelei zur Fähre nach Supetar bringt, lange winkt und dann mit einem zufriedenen Lächeln wieder nach Sutivan fährt.

Doch dieses Jahr ist aus einer solchen Affäre eine Liebe geboren worden. Mates erste echte Freundin seit vielen Jahren ist Serbin aus Beograd und hat Mate im letzten Sommer so verzaubert, dass er ihre Wiederkehr kaum erwarten kann. Wie es manchmal geschieht, ist es nur ein einziger Satz, der erst ihre und dann seine Leidenschaft weckt. Als Milica aus Beograd zum ersten Mal mit Mate in der Bucht von Stipanska schwimmt, fragt sie ängstlich, ob es hier Haie gibt. Mate lächelt sein langsames Lächeln und sagt: "Mach dir keine Sorgen um die Haie ... ich könnte dich beißen!"

In einigen Tagen kommt Milica nach Sutivan. Dann werde ich ihr begegnen und mich für Mate freuen. Die Kate und das Land, auf der sie steht, werden bald verkauft. Mate braucht Geld, um es in eine Olivenpresse zu investieren und wie seine Vorfahren Öl zu pressen und vom Verkauf an Restaurants und Hotels zu leben.

Mit Milica aus Beograd. (Bogumil Balkansky, 30.7.2017)