Ins Parlament will es Peter Pilz wieder schaffen. Die Demoskopen billigen ihm die besten Chancen darauf zu. Ob deren Prognose sich auch mit den nackten Tatsachen deckt, wird man frühestens am Abend des 15. Oktober wissen.

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Lieber Peter Pilz, ganz so lange, wie du es warst, bin ich noch nicht bei den Grünen. Aber immerhin auch schon 27 Jahre. Lange genug, um etliche Höhen und Tiefen mitzuerleben. Deine Entscheidung, die Grünen zu verlassen und mit einer eigenen Liste bei der Nationalratswahl anzutreten, ist nun also fix. Trotzdem stehe ich nicht an, mich bei dir zu bedanken für dein Wirken und deinen Einsatz für die Grünen. Es gibt eine lange gemeinsame Geschichte, mit vielen Erfolgen. Deine Rolle als Aufdecker hat wesentlich dazu beigetragen.

Ich hoffte nach dem Bundeskongress auf eine Trennung mit Anstand und Würde, ohne Untergriffigkeiten. Das wurde von unserer Seite ohne Wenn und Aber eingehalten. Dein "Abschiedsbrief" an uns im STANDARD war ohne Würde.

Mitnichten sind die vielen Hundert engagierten grünen Mandatarinnen und Mandatare in den Gemeinden, Städten und Landtagen, im Nationalrat und im europäischen Parlament, die sich seit vielen Jahren um Umweltanliegen, soziale Gerechtigkeit, leistbares Wohnen oder zuletzt um die Integration von Flüchtlingen gekümmert haben, allesamt dumme Schafe, die nicht begriffen haben, was die gesellschaftlichen Herausforderungen sind.

Niemand von uns steckt den Kopf in den Sand, im Gegenteil: Es waren wir Grüne in den Landesregierungen von Vorarlberg bis Wien, die sich wie keine zweite Partei der enormen Herausforderung durch die Flüchtlingskrise gestellt haben und immer noch stellen, wissend, dass mit der (notdürftigen) Unterbringung der Asylsuchenden bestenfalls der Anfang einer Herkulesaufgabe gemeistert ist.

Viele von uns haben in jüngeren Jahren den katholischen Fundamentalismus bekämpft – wir werden den Teufel tun, jetzt dem islamischen Fundamentalismus die Mauer zu machen. Dieser Vorwurf ist geradezu grotesk. Den bekämpfen wir, wie beispielsweise Berîvan Aslan, Sigi Maurer oder dein Freund Harald Walser zeigen, ohne rechts abzubiegen.

Keiner von uns verkennt die antidemokratische, totalitäre Entwicklung in der Türkei; wir verkennen aber genauso wenig dieselben Entwicklungen in Ungarn oder in Polen, weil sie uns als Mitglied der Europäischen Union tatsächlich in unserem demokratischen, republikanischen, auf Gewaltenteilung setzenden Selbstverständnis unmittelbar betreffen und gefährden.

Und ja, wir sind eine Umweltpartei geblieben, von Zwentendorf über Hainburg bis zum Klimavertrag von Paris und dem Streiten für dessen Umsetzung in Österreich und Europa, wissend, dass die wirklich großen Fluchtbewegungen dann einsetzen werden, wenn die Menschen südlich der Sahara und anderswo aufgrund des Klimawandels, von institutionalisiertem Landraub und zerfallenden staatlichen Strukturen geradezu gezwungen sind, sich auf den Weg zu machen, wenn sie überleben wollen.

Dass wir uns, immer noch, weil notwendig, für die Rechte, die gleichen Rechte, von Frauen einsetzen, bringt uns mitunter Häme ein, fast immer nur von Männern. Das Phänomen, dass alle Frauen, die auf dem Bundeskongress nicht an den von ihnen erhofften Platz gewählt worden sind, weiter kandidiert haben, aber mehrere Männer nicht, zeigt, dass auch bei uns manche noch Aufholbedarf haben.

Unterschätzt haben wir, wie viel an Kraft und Energie wir dafür investiert haben, dass unser Bundespräsident Alexander Van der Bellen und nicht Norbert Hofer heißt. Diesem Ziel haben wir fast ein Jahr viel untergeordnet. Wir waren wohl auch zu lange auf zu wenige Personen eingeengt, was Führung und Entwicklung der Partei angeht. Ein Fehler, den wir mit einer kollektiven Kraftanstrengung nach dem plötzlichen Ausscheiden von Eva Glawischnig korrigiert haben. Ingrid Felipe, Ulrike Lunacek und Albert Steinhauser stehen stellvertretend dafür.

Die Ich-AG

Du warst unsere beste Ich-AG in all den Jahren, Vorteile und Nachteile inklusive. Deine Domäne war das schonungslos Investigative, Altlastensanierung, Aufdeckung, Aufarbeitung, Vergangenheitsbewältigung. Darin warst du richtig gut. Das Unfertige, Schwierige, Visionäre war ebenso wenig deins wie die Kleinarbeit in den Niederungen der Kommunal- und Landespolitik, wo es um Kinderbetreuung, öffentlichen Verkehr, Bildung, Pflege oder Energieversorgung geht.

Du warst einer der schärfsten Kritiker des ehemaligen Bundesgeschäftsführers Stefan Wallner. Er ist weg. Du warst einer der schärfsten Kritiker der ehemaligen Bundessprecherin Eva Glawischnig. Sie ist weg.

Kritik an dir selber hast du schlecht ertragen. Du bist gegangen. Nach dem Bundeskongress hattest du zugesagt, Ulrike Lunacek zu unterstützen. Jetzt ist sie deine Gegnerin, du wirst dein eigenes Ding machen. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Aber mach es – meine letzte Bitte an dich – wenigstens mit Anstand.

Uns Beharrlichen, zu denen ich mich auch zähle, in deiner sardonischen Eloquenz für die saubere Trennung zu danken, uns gleichzeitig aber als inkompetente, einbetonierte, unbelehrbare und politisch nicht bis drei zählen könnende Vollidioten darzustellen, nur weil wir in deinen Augen jetzt eine "Altpartei" sind, entspricht nicht deiner wahren Größe.

Danke, baba und foi ned! (Johannes Rauch, 28.7.2017)