Eine Arbeit, bei der man immer wieder an Josef Hader denken muss ("Topfpflanzen, geht's spazieren!"): Nilbar Güres' "Escaping Cactus" (2014).

Foto: Stefan Lux / Mak

Wien – Eines Wintertages fand die Künstlerin Birgit Jürgenssen (1949-2003) ihr Auto eingeschneit vor. Sie griff jedoch nicht zur Schneeschaufel, sondern zur Kamera. Es entstand eine Fotografie ihres vorübergehend fahruntauglich gewordenen, gelben Renault 4, auf die sie später die lakonischen Worte "ich weiß nicht" druckte. Ein schönes Statement, eigentlich, und jedenfalls eines, das nie ganz falsch sein kann.

Nie! Von Sokrates' ("Ich weiß, dass ich nicht weiß") Zeiten bis heute, da Jürgenssens Fotografie den Titel für eine Ausstellung im Wiener Museum für angewandte Kunst (Mak) liefert. Einen Ausdruck "geistiger Mobilität" im Angesicht versagender Technologie erblicken die Kuratorinnen Janina Falkner und Marlies Wirth in Jürgenssens winterlichem Schulterzucken. Und um diese Autonomie geht es eben auch in der Ausstellung ich weiß nicht, die Teil der Vienna Biennale 2017 ist.

Mensch-Ding-Beziehungen

Zur Debatte steht nicht zuletzt die Frage, wie wir gegenüber jenen "Smart Devices, Wearables und Apps", die zunehmend unsere Welt bestimmen, Selbstbestimmtheit bewahren können. 17 Positionen sollen im Mak-Design-Labor zum Nachdenken über wachsende Ding-Ding- oder auch Mensch-Ding-Beziehungen anregen. Wer sich digitale Kunst erwartet, liegt allerdings falsch.

Die Reflexion über Objekte und Subjekte beginnt hier fernab elektronischer Gerätschaften. Zum Beispiel mit dem Objekt Der Landmensch (Fetisch) von Padhi Frieberger, einem aus allerlei Versatzstücken wie einem Vogelkopf und dem Gestänge einer Scheibtruhe zusammengestöpselten "Totem". Darum, wie Dingen (neue) Bedeutung zugeschrieben wird, wie sie "magisch" aufgeladen werden, geht es hier.

Zurück zum "ich weiß nicht"

Schlaglichter fallen auch auf die Übersetzung von Abstraktem in Greifbares. Etwa bei einer Skulptur von Sofia Goscinski, die ein niedergestreckt daliegendes Figürchen zeigt. I killed my Angsthase, sagt der Titel, suggerierend, die Künstlerin habe ein Gefühl veräußerlicht. Objekte, die es auf Vieldeutigkeit anlegen, an denen betrachtende Subjekte also mit all ihrem mitgebrachten Erfahrungsschatz scheitern und letztlich beim "ich weiß nicht" landen, liefert der Ausstellung Ute Müller.

So manche Arbeiten in der Schau wirken natürlich austauschbar. Das hat etwa damit zu tun, dass das Spiel mit der Vieldeutigkeit der Dinge von Haus aus ein Kerngeschäft der Kunst ist. Die Schau reflektiere nicht zuletzt die kuratorische Arbeit an sich, schreiben Falkner und Wirth denn auch im Beipacktext. Auch bei dieser Arbeit mit Kunstobjekten sei man immer wieder überrascht, wie die Beziehungen zwischen den Dingen wachsen.

Scanner im Dialog

Im engeren Sinne mit der modernen Lebenswelt befassen sich dann etwa die Surveillance Studies von Julian Palacz. Der Künstler übertrug Bewegungsdaten, die von Überwachungskameras aufgezeichnet wurden, in anmutige Bilder – und nähert sich auf diese Weise der Frage, wie "die Dinge" uns betrachten. Günther Selichar ließ indes Scanner miteinander in Dialog treten.

Insgesamt hätte ein stärkerer Fokus zum Beispiel auf die moderne Mensch-Ding-Beziehung statt auf die Subjekt-Objekt-Beziehung an sich die Ausstellung wohl kerniger gemacht. Das ändert jedoch nichts daran, dass es hier einzelne bedenkenswerte Arbeiten zu sehen gibt.

Etwa Divine Monochromes von Kay Walkowiak. Die Farben auf diesen minimalistischen Tafeln entstammen den 63 Farbtönen des vom Architekten Le Corbusier für die Reißbrett-Stadt Chandigarh entwickelten Repertoires. Die jeweiligen Sechserkombinationen auf Walkowiaks Bildern wählte jedoch, einer indischen Wahrsagertradition folgend – ein Papagei. Ein Video dieser Prozedur ist den Farbtafeln beigefügt und die Frage, ob und wie sich die Anmutung dieser Bilder dadurch verändert, eine durchaus reizvolle. (Roman Gerold, 29.7.2017)