Der Fahrradschlauch aus Thermoplast wiegt den Herstellern zufolge 60 Prozent weniger als herkömmliche Standardschläuche aus Gummimaterial.

HO

Wien – Beim Mountainbiken wird gern über die Frage des Gewichts diskutiert. Weil weniger mehr sein soll. In Sachen Geschwindigkeit und so, besonders bergauf. Wobei es gemeinhin um die Kilos des Rades geht, nur selten um die des lenkenden Menschen. Denn dessen Kilos sitzen fester am Leib als die veränderbaren Teile am geländegängigen Drahtesel.

Gar manches wurde an den seit knapp 40 Jahren rollenden Bergfahrrädern modifiziert, um sie leichter zu machen. Eine Komponente wurde dabei bisher allerdings immer ausgespart: der Fahrradschlauch, der seit seiner Erfindung durch die Michelin-Brüder vor mehr als 100 Jahren aus einer Gummimischung besteht. Worüber im Sommer 2015 zwei Freizeitmountainbiker in Wien bei einem Bier philosophierten.

Ermutigende Resonanz

Auch weil die beiden seit Jahren Kollegen bei einem Hersteller von Handylautsprechern waren. Und dort mit einem Membranenmaterial aus Thermoplast arbeiteten, dessen besondere Eigenschaften Leichtigkeit, Widerstandsfähigkeit und Reißfestigkeit sind. Merkmale, die die Qualität eines Fahrradschlauchs eigentlich zu einer richtig runden Sache machen könnten, dachten der Materialspezialist Christian Lembacher (47) und der Maschinenbauer Ákos Kertész (30).

2016 war der erste Prototyp des Tubolito genannten Thermoplastschlauchs fertig. Die erste Präsentation bei einem Mountainbikegeschäft in Wien erntete das Feedback "geil", erzählt Kertész dem STANDARD. Der Fahrradhändler empfahl sie seinem Großhändler weiter, die Entwicklung nahm ungebremst ihren Lauf. Die Resonanz auf Messen und bei TV-Pitches für Start-ups ermutigte Lembacher und Kertész, Fahrt und die Produktion aufzunehmen.

Tubolito-Gründer Ákos Kertész (li.) und Christian Lembacher.
Foto: Klaus Morgenstern

40.000 Stück heuer

Seither sind die beiden Entwickler ganz schön geschlaucht. Denn die Nachfrage ist größer, als anfangs erwartet, berichtet Kertész. Es sei eine große logistische Herausforderung, quasi von null auf hundert die ausreichende Menge an Grundstoffen (kommen aus Deutschland und Österreich) zur Verfügung zu haben und die Produktionskapazität (Lohnfertigung in Ungarn) zu steigern. Noch heuer sollen 40.000 Stück Tubolitos hergestellt werden.

Wie weit sie 2018 stärker in die Produktionspedale treten, lassen sie noch offen. "Mountainbikes sind ein saisonales Produkt, wir sind im Herbst auf vielen Fachmessen unterwegs, die uns die Richtung vorgeben", sagt Kertész. Zu tun gibt es für die Jungunternehmer jedenfalls genug. Kertész hat sich von seinem früheren Arbeitgeber im März verabschiedet, Lembacher steigt im August aus dem Angestelltenstatus aus.

Weltweites Patent

Die Fertigungstechnologie, wie Thermoplast zu Fahrradschläuchen verarbeitet werde, sei "schon ein einzigartiges Verfahren", betont Kertész, das weltweite Patent dafür sei gesichert. Mit 85 Gramm (29 Zoll) ist der Tubolito im Vergleich zum 200 bis 220 Gramm schweren Gummischlauch ein Leichtgewicht. Das Material sei langzeitstabil, UV-beständig und halte die Luft sehr gut, verspricht Kertész. Auch sei es zweimal so robust wie konventionelles – habe der eigene Durchstichtest ergeben. Das soll jetzt durch ein deutsches Prüfinstitut belegt werden. Entsprechend hoch ist der Preis mit 29,90 Euro (herkömmlicher Schlauch: zwischen acht und zehn Euro).

Beinahe hätte ein ähnliches Produkt des deutschen Herstellers Schwalbe den beiden einen Strich durch ihre Rechnung gemacht. "Das hätte 2016 auf den Markt kommen sollen, sie haben es aber doch nicht umsetzen können." Vertrieben wird aktuell über Großhändler in Österreich, Deutschland, in der Schweiz, in Italien, Slowenien und Kroatien. Frankreich und Spanien sollen in der nächsten Ausbauphase folgen.

So gesehen ist für Lembacher und Kertész bisher alles rund gelaufen. Gewonnen werden konnte auch ein privater Investor. Details über ihn und die Höhe der Beteiligung wollen sie nicht preisgeben. Sollte sich der Verkauf gut entwickeln, soll es dann auch Tubolitos für andere Räder geben.

Rat für Start-up-Kollegen

Ein Tipp, den Kertész mit anderen Start-ups teilen möchten? "Die Teilnahme an Wettbewerben und Pitches ist ein zweischneidiges Schwert. Man sollte sich in der Anfangsphase nicht zu sehr darauf konzentrieren. Die Erfolge, die man hier hat, sind nicht zwangsläufig nachhaltig. Effektiver sind Präsentationen bei potenziellen Kunden." (Karin Tzschentke, 31.7.2017)