Nur zwei Tage nach Beginn der Sommerpause hat die EU-Kommission nun also doch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Das erscheint überraschend, denn erst am vergangenen Mittwoch hatte der für Grundrechte zuständige Vizepräsident, Frans Timmermans, erklärt, das Kollegium räume der polnischen Regierung noch eine letzte Frist von einem Monat ein – so lange habe sie Zeit, um die schweren Bedenken wegen "systematischer Verletzung der Rechtsstaatlichkeit" bei ihren Justizreformen einzusehen. Für den Fall, dass das nicht geschieht, drohte die Kommission, würde Polen mit einem Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags konfrontiert. Es sieht als letztes Mittel den Entzug des Stimmrechts in Ministerräten vor – ein bisher einmaliger Akt.

Das aktuelle Mahnschreiben der Kommission ist diesbezüglich ein weiterer Mosaikstein. Es richtet sich konkret gegen das jüngste Richtergesetz, das dem polnischen Justizminister Mittel in die Hand gäbe, Richter bis auf Bezirksebene politisch willkürlich aus dem Amt zu treiben.

Dieser Bruch der Rechtsstaatlichkeit hat System. Das Artikel-7-Verfahren wird im Herbst kommen müssen. Da sich die polnische Regierung als rechtsstaatlicher Brunnenvergifter in der Union betätigt, kann die Kommission gar nicht anders, als auch mit schärfsten Mitteln vorzugehen. Die Polen müssen wissen, worum es geht. Wer die Rechtsstaatlichkeit aufgibt, gibt sich selbst – und die Demokratie – auf. (Thomas Mayer, 30.7.2017)