Aktivisten des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac demonstrieren gegen die Steuervermeidung von Großkonzernen.

Foto: APA/Lino Mirgeler

Wien – Das irische Finanzministerium hat vor wenigen Tagen eine einzigartige Stellenausschreibung veröffentlicht. Gesucht wird jemand, der keine Scheu davor hat, mit großen Geldsummen zu hantieren: 13 Milliarden Euro plus Zinsen sollen in den kommenden Jahren sicher veranlagt werden.

Der IT-Konzern Apple ist vor einem Jahr zu einer Steuernachzahlung an die irische Regierung in dieser Höhe verdonnert worden. Apple hatte jahrelang von Steuergutschriften in Irland profitiert, worin die EU-Kommission unerlaubte Staatsbehilfe sieht. Die Iren und Apple haben den EU-Entscheid angefochten. Apple wird das Geld auf ein Treuhandkonto zahlen. Bis ein endgültiges Urteil ergeht, sucht Dublin jemanden, der das Geld verwaltet.

Noch viel Arbeit für die EU-Kommission

Die Apple-Causa ist der bisherige Höhepunkt der Bemühungen in der EU, die aggressive Steueroptimierung durch multinationale Konzerne zu begrenzen. Eine neue Studie eines Forscherteams der Universität Amsterdam legt nahe, dass die EU-Kommission noch viel zu tun bekommen wird.

Vier Wissenschafter haben mit einer Netzwerkanalyse Millionen von Unternehmensdaten ausgewertet und damit eine Art Landkarte globaler Offshore-Zentren und Steueroasen erstellt.

Firmendatenbank Orbis als Basis

Basis für die Untersuchung war die Firmendatenbank Orbis. Dort finden sich Informationen zu Eigentümerverhältnissen und Umsätzen von 200 Millionen Unternehmen weltweit. Mit einem Softwareprogramm haben die Forscher Beteiligungsketten gebildet und so die oft verschachtelten Eigentümerstrukturen entwirrt. Wenn Unternehmen "B" aus den Bermudas, also über eine zwischengeschaltete Gesellschaft "N" mit zehn Prozent an dem deutschen Konzern "D" beteiligt ist, ließ sich das darstellen. So entstanden Millionen von Verbindungen, die zeigen, in welchem Land Besitzketten beginnen und wo sie enden.

In einem zweiten Schritt wurden Unternehmensumsätze einzelnen Staaten zugewiesen. Wenn Konzern "D" 100 Euro Umsatz macht, entfallen auf die Bahamas-Gesellschaft "B" zehn Euro.

Diskretion und Steuervergünstigungen

Damit lässt sich zeigen, welche Länder im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft völlig überhöhte finanzielle Aktivitäten anziehen. Diese Definition folgt Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds zur Identifikation von Offshore-Zentren, die vor allem mit Diskretion und Steuervergünstigungen locken.

Größtes Offshore Zentrum, oder Steueroase, sind laut Studie der Uni Amsterdam die British Virgin Islands. Die Umsatzströme, die dort enden, sind 5000-mal größer als die Wirtschaftsleistung. Im Ranking folgt das EU-Land Luxemburg, Hongkong, die Kanalinsel Jersey. Die EU-Länder Zypern und Malta sind wie Taiwan weit vorn unter den 24 identifizierten Offshore-Zentren. Experten des Tax Justice Network, einer britischen NGO, sagen, dass Taiwan sich aktuell als Offshore-Zentrum für Unternehmen aus Festland-China zu etablieren versucht.

Die großen Drehkreuze

Die Besonderheit der Netzwerkanalyse liefern Daten zu den Drehkreuzen: Über lediglich fünf Länder, die Niederlande, Großbritannien, Schweiz, Singapur und Irland laufen demnach 47 Prozent der Investitionen in Steueroasen. Absoluter Spitzenreiter sind die Niederlande, in 23 Prozent der mit dem Umsatz gewichteten Fälle führt der Weg ins Steuerparadies über eine zwischengeschaltete niederländische Gesellschaft, in 14 Prozent über eine britische.

Dass niederländische Gesellschaften wie die "Finance B.V", eine Art Gesellschaft mit beschränkter Haftung, für ausländische Unternehmen interessant sind, um weltweite Beteiligungen zu halten, war bekannt. Ebenso, dass die City of London die Kanalinseln und Überseegebiete als diskrete Außenstellen nutzt. Doch laut Steuerexperten ist das Ausmaß der Konzentration bei den Drehkreuzen überraschend.

Studie mit Schwächen

Die Studie hat, wie auch Autoren einräumen, Schwachpunkte: Eigentümerdaten aus Delaware, der berüchtigten US-Steueroase, sind nicht zugänglich und wurden nicht ausgewertet. Herangezogen wurden nur Unternehmensdaten, keine Transaktionen von Privatvermögen. Die Analyse stellt nicht auf echte Geldflüsse ab – sondern basiert auf Umsatzwerten.

"Mangels alternativer Daten ist das aber der beste Annäherungswert, um internationale Finanzströme schätzen zu können", sagt Jan Fichtner, einer der Studienautoren. "Wir leisten einen Beitrag zu einer rein datengestützten Identifizierung von Offshore-Finanzzentren", sagt Fichtner. In internationalen Organisationen und der EU seien politischen Kriterien maßgebend dafür, wer als Steueroase eingestuft wird und wer nicht. Die OECD bewertet derzeit allein Trinidad und Tobago als Steueroase. Die EU hat sich bisher nicht auf eine schwarze Liste einigen können. Österreich ist laut Fichtner weder als Drehkreuz noch als Steueroase einzustufen. (András Szigetvari, 1.8.2017)