Lasershow über der Skyline von Hongkong.

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Wenn sich zwei Aussagen gegenüberstehen, die einander ausschließen, dann muss eine davon falsch sein und die andere richtig. Das ist zumindest in der auf der klassischen Logik basierenden Mathematik so. Im Rest der Wissenschaft allerdings nicht – da können durchaus auch einmal alle Beteiligten danebenliegen. Das beste Beispiel dafür ist der Jahrhunderte währende Streit darüber, ob Licht nun eine Welle ist oder doch aus Lichtteilchen besteht.

Früher stellte man sich Licht als eine Art gebündelten Strahl vor – aber dass man damit nicht alle Phänomene erklären kann, demonstrierte im 17. Jahrhundert der niederländische Astronom, Mathematiker und Physiker Christiaan Huygens: die Beugung des Lichts beispielsweise, bei der Licht auch Bereiche des Raums erreichen kann, die es eigentlich auf geradem Weg nicht erreichen können sollte.

Huygens vs. Newton

Huygens schlug daher etwas vor, das heute als "Huygens'sches Prinzip" bekannt ist: Licht breitet sich nicht durch gerade Strahlen aus, sondern als Welle. Jeder Punkt, der von einer Wellenfront erreicht wird, ist Ausgangspunkt kugelförmiger Wellen, die sich alle überlagern. Aus diesem Prinzip heraus entwickelte er die sogenannte "Wellenoptik" – stand damit aber im Widerspruch zu den Erkenntnissen eines prominenten Zeitgenossen.

Isaac Newton hatte ganz andere Vorstellungen vom Licht. Er war der Ansicht, es würde aus "Korpuskeln" bestehen, aus jeder Menge kleinsten Lichtteilchen. Auch mit diesem Konzept konnte er die Beobachtungen leidlich gut erklären. Und auch wenn Newtons Theorie komplizierter war als die von Huygens, wurde sie von den meisten Forschern favorisiert (hauptsächlich weil Newton aufgrund seiner großen wissenschaftlichen Erfolge eine größere Autorität genoss).

Das Doppelspaltexperiment

Im 19. Jahrhundert aber wendete sich das Blatt wieder: Der englische Physiker Thomas Young führte ein "Doppelspaltexperiment" durch und konnte damit zeigen, dass Licht durch Interferenz ausgelöscht werden kann: Wenn man Licht durch zwei dicht nebeneinander liegende Spalten fallen lässt, bekommt man dahinter ein Muster aus hellen und dunklen Streifen. Das lässt sich nur dann erklären, wenn man davon ausgeht, dass Licht eine Welle ist und sich dort auslöscht, wo hinter den Spalten ein Wellenberg auf ein Wellental trifft.

Auf Young folgten andere Forscher, die Experimente bezüglich der Polarisation des Lichts machten, der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts in unterschiedlichen Medien, der Lichtbeugung und so weiter – und dabei alle zu demselben Befund kamen, dass man die Daten nur durch Lichtwellen erklären konnte und nicht durch Lichtteilchen.

Welle-Teilchen-Dualismus

Schließlich kam der große Mathematiker James Clerk Maxwell und zeigte, dass man Elektrizität und Magnetismus als elektromagnetische Wellen beschreiben kann und das Licht genauso eine Welle sein muss. Und als diese elektromagnetischen Wellen von Heinrich Hertz gegen Ende des 19. Jahrhunderts experimentell nachgewiesen worden waren, schien alles eindeutig: Licht ist eine Welle und kein Teilchen!

So klar die Sache im 19. Jahrhundert war, so verwirrend wurde sie dann im 20. Jahrhundert. Es begann mit Max Planck, der behauptete, dass Energie nicht kontinuierlich, sondern nur in Form einzelner "Energiepakete", der Quanten, abgegeben werden kann. Ein paar Jahr später zeigte Albert Einstein, dass man den sogenannten fotoelektrischen Effekt (die Freisetzung von Elektronen bei der Bestrahlung bestimmter Materialien mit Licht) nur dann erklären kann, wenn man Licht nicht als Lichtwelle betrachtet, sondern als Strom von "Fotonen", also Lichtquanten.

Was war jetzt also das Licht: Welle oder Teilchen? Im 20. Jahrhundert war man nicht schlauer als zur Zeit von Newton und Huygens. Weitere Experimente und Überlegungen brachten Einstein dann dazu zu fordern, dass man Licht als Welle und Teilchen betrachten müsse. Manchmal hat Strahlung den Charakter einer Welle, manchmal jenen eines Teilchens. Dieses Prinzip nannte man "Welle-Teilchen-Dualismus".

Dann kam die Quantenmechanik

Die Quantenmechanik verallgemeinerte dieses Prinzip noch weiter: Auch andere Phänomene, die bis dahin ausschließlich als Teilchen beschrieben wurden, müssten manchmal als Welle betrachtet werden. Das berühmte quantenmechanische Doppelspaltexperiment belegte das auch. Das, was Thomas Young im 19. Jahrhundert mit Licht gemacht hatte, wiederholten die Physiker des 20. Jahrhunderts mit aus Elektronen bestehenden Strahlen. Und auch hier zeigten sich Interferenzmuster, die man nur verstehen konnte, wenn man auch den Elektronen nicht nur Teilchen-, sondern auch Wellencharakter zuschrieb.

Bis dahin sah alles wie ein klassischer Kompromiss aus. Licht ist nicht nur Welle oder nur Teilchen – sondern beides. Niemand hatte sich wirklich geirrt, der Streit entstand nur aus Mangel an Informationen. Die Quantenmechanik war allerdings noch nicht fertig mit dem Problem. Seit den 1940er-Jahren wird Licht im Rahmen der Quantenelektrodynamik beschrieben.

Fruchtbarer Irrtum

Dabei handelt es sich um die sogenannte Quantenfeldtheorie. Dort gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Teilchen und Welle – alles wird einheitlich als ein Quantenfeld (in diesem Fall das elektromagnetische Feld) beschrieben, das sich auf verschiedenste Art und Weise verändern und mit anderen Quantenfeldern in Wechselwirkung treten kann. Je nachdem, wie sich das Feld verhält und wir es untersuchen, zeigt sich Licht mal als Teilchen- und mal als Wellenphänomen, obwohl es eigentlich weder das eine noch das andere ist.

Quantenfelder lassen sich leider nicht mehr wirklich anschaulich darstellen – aber die Quantenfeldtheorien sind so erfolgreich bei der Beschreibung der Realität wie kaum eine andere Theorie in der Naturwissenschaft. Die lange Geschichte des Streits zwischen Anhängern von Lichtwellen und Lichtteilchen zeigt eindrucksvoll, dass sich durchaus auch einmal alle irren können und nicht die einen recht haben müssen, weil die anderen falsch gelegen sind.

Und in diesem Fall war der gemeinsame Irrtum der Ausgangspunkt für eine der wichtigsten Revolutionen in der Naturwissenschaft – dank der wir die Frage "Ist Licht eine Welle oder ein Teilchen?" nun mit einem eindeutigen Nein beantworten können. (Florian Freistetter, 1.8.2017)