Kein Auskommen mit reduzierter Mindestsicherung: das NÖ Landesgesetz birgt für Ausländer wie Inländer finanzielle Absturzrisken.

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St. Pölten – Mit monatlich 572,50 Euro, zwölfmal im Jahr, könne man unmöglich auskommen, sagt Gernot T. (Name der Redaktion bekannt, Anm.). Auch wenn man billig lebe – im sonst unbewohnten Haus der Mutter in einer niederösterreichischen Kleinstadt – und nur 150 Euro Betriebskosten pro Monat zahle. Denn: "Nach einer Unterschenkelamputation brauche ich mein Auto – und essen muss ich auch."

Doch mit mehr Geld kann der 57-jährige Niederösterreicher bis auf weiteres nicht rechnen – weil er Mindestsicherung erhält und die Höhe seines Bezugs den heuer verschärften Bestimmungen des diesbezüglichen Landesgesetzes entspricht. Der Bescheid der zuständigen Bezirkshauptmannschaft liegt dem STANDARD vor.

Neuer Paragraf

Das nö. Mindestsicherungsgesetz regelt in Paragraf 11a, dass "Hilfe suchenden Personen, die sich innerhalb der letzten sechs Jahre weniger als fünf Jahre in Österreich aufgehalten haben", niedrigere Geldleistungen ausbezahlt werden. Wer hingegen durchgängig im Bundesgebiet gelebt hat, erhält, bei hundertprozentigem Bezug, 844,46 Euro monatlich. Auch das ist wenig: Laut Armutskonferenz liegt die Schwelle zur Armutsgefährdung für eine Person bei 1185 Euro.

Eingeführt wurde der reduzierte "Mindeststandard – Integration" in Niederösterreich unter einigem Getöse, vor allem um – laut ÖVP – den steigenden Kosten durch mindestsicherungsberechtigte anerkannte Flüchtlinge zu wehren. Diesen werden nun zum Teil Summen von 150 oder 350 Euro monatlich ausgezahlt. Das lässt sie akut verarmen.

Keine Existenzabsicherung

Doch die Kürzungen treffen nicht nur sie. Auch dem in Niederösterreich geborenen Gernot T., der dort die Schule besucht, eine Lehre absolviert und 31 Jahre als Angestellter gearbeitet hat, wird Existenzabsicherung vorenthalten – obwohl dies die ursprüngliche Absicht bedarfsorientierter Mindestsicherung war.

T.s Problem: Er hat sich als Unternehmer versucht und als solcher Österreich zwischenzeitlich verlassen. Konkret gründete er 2006 eine Handelsagentur, die Servicejobs für ein multinationales Unternehmen erledigte. Auch seine Frau arbeitete dort. Als der Frau 2012 in einem EU-Staat ein Leitungsjob angeboten wurde, übersiedelte T. mit. Er wollte im neuen Land eine Firma gründen und die Servicearbeit fortsetzen.

Serie von Schicksalsschlägen

Doch dazu kam es nicht: Ein Freizeitunfall hatte dramatische Folgen, T. musste ein Unterschenkel amputiert werden. Und dann ging auch noch die Ehe in Brüche.

2014 kehrte T. nach Österreich zurück. Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe hatte er nicht: Seine Angestelltenzeit war zu lange her. Auch Jobs fand er nicht, so beantragte er Mindestsicherung, die erst 712,24, dann 733,04 Euro betrug. Bis zur Novelle, da wurde es noch weniger.

Bei der Bezirkshauptmannschaft bedauert man dies, doch zu ändern sei es nicht. T. könne nicht nachweisen, dass er Österreich aus beruflichen Gründen verlassen habe; in diesem Fall würde eine Ausnahmeregelung greifen.

Klage eingereicht

Wie der Nachweis des Exselbstständigen aussehen müsse? "Die Firma, für die er im Ausland gearbeitet hat, muss es ihm bestätigen." Am Dienstag hat T. beim Landesverwaltungsgericht Klage gegen seinen Mindestsicherungsbescheid eingebracht. Das LvWG hat eine Prüfung des nö. Mindestsicherungsgesetzes beim Verfassungsgerichtshof veranlasst. (Irene Brickner, 2.8.2017)