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Macron mit einem Sparringpartner anlässlich der "Olympischen Tage" in Paris. Zumindest der Erhalt der Olympischen und Paralympischen Spiele für Frankreich 2024 sind derzeit ein Grund zur Freude.

Foto: Reuters / Jean-Paul Pelissier

Emmanuel Macron lächelte, solange die Fotografen zugegen waren. Kaum hatte die Regierungssitzung im Élysée-Palast aber begonnen, verschoss "Jupiter" (so sein Übername im Pariser Olymp) seine Blitze. Die Ideen und Projekte, die er aus einzelnen Ministerien erhalte, seien oftmals "für die Katz" (freundlich übersetzt für "pipi de chat", Anm.), wetterte der Präsident. Wer ein Ministerium leite, müsse seinen politischen Willen auch gegen die Macht der Funktionäre durchsetzen, dozierte er vor versammelter Regierung, um ihr zu prophezeien: "Sonst werdet ihr in einem halben Jahr verschwunden sein."

Das war Macron pur. Ein paar Tage zuvor hatte der 39-Jährige den altgedienten Generalstabschef Pierre de Villiers kurzerhand entlassen, weil der den Armeehaushalt nicht um 850 Millionen Euro kürzen wollte. "Ich bin euer Chef", bedeutete er einer Versammlung hoher Offiziere, auf die Verfassungsrolle des Staatschefs als oberster Befehlshaber anspielend.

Die Minister hüsteln, die Generäle murren – allein, Macron hört darüber hinweg. Manchmal nimmt seine präsidiale Positur fast Züge von Menschenverachtung an. Bei der Einweihung einer Start-up-Zentrale philosophierte er im Juli: "In Bahnhöfen kreuzt man den Weg von Leuten, die es geschafft haben, und den anderer, die nichts sind." Die Pariser Journalisten – die im Élysée-Palast auf gesunde Distanz gehalten werden – erinnerten daran, dass Macron als Wirtschaftsminister Fabrikarbeiterinnen als "Analphabetinnen" abgetan hatte. Vielleicht trägt sein Klassendünkel dazu bei, dass der Präsident Ende Juli in der ersten relevanten Meinungsfrage gleich zehn Prozent verlor.

Nur Jacques Chirac war 1995 nach seiner Wahl ins Élysée stärker eingebrochen. Das sei "eine erste, sehr ernsthafte Warnung", kommentierte die Zeitung L'Opinion. Bis zu einem gewissen Grad war aber auch damit zu rechnen gewesen: Macrons Wahl im Mai schien solider, als sie es war; und dass ein Shootingstar, der "über Wasser" ging, wie es bisweilen hieß, hart landen würde, war von Beginn an klar gewesen.

Internationales Parkett

Immerhin wahrt der Präsident ein Plus: die Außenpolitik. Stolz registrieren die Franzosen, dass ihr Land auf der diplomatischen Bühne wieder etwas zählt – dank Macron. US-Präsident Donald Trump nannte ihn "intelligent und stark", die Sängerin Rihanna schwärmte unlängst von einem "unglaublichen" Treffen im Élysée. Gewiss hat der Franzose derzeit auch die europäische Bühne frei, da die Briten mit dem Brexit und die Deutschen mit der Bundestagswahl beschäftigt sind. Nach zehn Sarkozy- und Hollande-Jahren müssen die Franzosen erstmals nicht aufseufzen, wenn ihr Präsident auf dem internationalen Parkett auftritt.

Gute Noten erhält dabei sein ganzheitlicher Ansatz, so etwa, wenn er die Syrien- und die Flüchtlingsfrage koppelt oder wenn er den beabsichtigten Euro-Haushalt mit den Wirtschaftsreformen in Frankreich verlinkt. Statt seinen Sommerurlaub am Strand zu verbringen, wird Macron mit Gattin Brigitte europäische Hauptstädte besuchen, um nicht nur nebenbei für sein Projekt eines Euro-Finanzministers zu plädieren. Loslegen will er mit der Umsetzung, sobald der deutsche Kanzlerposten im September besetzt sein wird.

Arbeitsmarktliberalisierung

Die größten Widerstände erwarten Macron dann allerdings im eigenen Land. Gegen die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, die am Mittwoch auch vom Senat abgesegnet wurde, planen Gewerkschaften und Linksparteien Mitte September harte Proteste. Dieser Showdown wird entscheidend für Macrons Zukunft. Derzeit versucht er, mehrfach vorzuspuren. Er organisiert seine einstige Internetbewegung viel straffer, damit er im entscheidenden Moment nicht seine Parlamentsmehrheit verliert. Brüsk hat er zudem die den Italienern versprochene Schiffswerft STX verstaatlicht. Dieser in Frankreich stets populäre Protektionismus erlaubt es ihm, sein Image eines bankenhörigen "Ultraliberalen" – wie ihn Linkenchef Jean-Luc Mélenchon bezeichnet – zu relativieren.

All dies dient dazu, das Arbeitsrecht durchzubringen. Nach der Sommerpause beginnt die eigentliche Kraftprobe. Dann wird sich zeigen, ob die Franzosen den Reformer Macron gewählt haben, damit er das Land wirklich reformiert. (Stefan Brändle aus Paris, 3.8.2017)