Ivona Dadic läuft, springt und wirft zwar für den Verein Union St. Pölten, ist aber Teil der oberösterreichischen Erfolgsgeneration.

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Auch Oberösterreicher: Lukas Weißhaidinger.

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London – "Schokolade", sagte Ivona Dadic unten in den Katakomben des Londoner Olympiastadions. Da befindet sich die Mixed Zone, in der Leichtathletinnen und Leichtathleten nach vollbrachtem Werk auf Journalisten treffen. "Ich werde jetzt endlich Schokolade essen, bis mir schlecht wird."

Zumindest Ersteres hat sich Dadic verdient, ihr vollbrachtes Werk waren ein Rekord (6417 Punkte) und der sechste Platz im Siebenkampf. Es handelt sich um das drittbeste österreichische Resultat bei einer Leichtathletik-Freiluft-WM und um das beste seit 16 Jahren. Bei 15 vorangegangenen WM-Anlässen waren allein Sigrid Kirchmann, 1993 Dritte im Hochsprung, und Stephanie Graf, 2001 Zweite im 800-m-Lauf, besser platziert.

Frauen. Das ist die eine Auffälligkeit. Immer wieder ragen Frauen aus der heimischen Leichtathletik, generell im heimischen Sport heraus. Oberösterreich, das ist die zweite Auffälligkeit. Kirchmann ist Oberösterreicherin, Dadic ist Oberösterreicherin. Die 23-Jährige läuft, springt und wirft zwar für den Verein Union St. Pölten, ist aber in Wels geboren und aufgewachsen. Und das aktuelle fünfköpfige WM-Aufgebot, jetzt kommt's, bilden vier oberösterreichische Köpfe und ein niederösterreichischer. Das kann kein Zufall sein, das ist kein Zufall.

Starke Ergebnisse

Dominik Distelberger, der niederösterreichische Zehnkämpfer, muss sich in London noch bis Freitag gedulden. Die zwei Oberösterreicherinnen und die zwei Oberösterreicher haben ihren WM-Einsatz schon hinter sich. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Dadic kam auf Rang sechs, Lukas Weißhaidinger (Diskus) auf Rang neun, Valentin Pfeil (Marathon) auf Rang 23, und Verena Preiner (Siebenkampf) lag immerhin an 18. Stelle, als sie wegen eines Asthmaanfalls vor dem abschließenden 800-m-Lauf aufgeben musste.

"Oberösterreich ist ein Sportland", sagt Hannes Gruber, der Sportkoordinator im österreichischen Verband (ÖLV). Kein Zufall, wie gesagt. "Dort gibt es einen starken Landesverband, der auf der Gugl ein eigenes Büro und etliche Mitarbeiter hat, dort gibt es eine starke Vereinsstruktur." Nebstbei gibt es in Linz das zweite Bundesleistungszentrum (BLZ) für Leichtathleten neben jenem in der Südstadt, es gibt vergleichsweise eine reiche Sporttradition, und es gibt in Silvio Stern und Wolfgang Adler zwei hauptamtliche Trainer. Adler, der sich bei der WM in London, neben anderen Coaches, um die Siebenkämpferinnen kümmerte, sagt: "Es kommt auf die Infrastruktur, auf die richtige Förderung und auf die Personen an."

Schon in puncto Infrastruktur geht es Oberösterreich mit seit kurzem zwei Hallen, die der Leichtathletik zur Verfügung stehen, nicht schlecht. Gefördert wird ebenfalls nicht nur ordentlich, sondern auch überlegt. In diesem Zusammenhang hebt Adler Sportlandesrat Michael Strugl (ÖVP) hervor, der "extrem engagiert" sei. Oberösterreich hat eine "Sportstrategie 2025" entwickelt, Teil davon ist das Engagement qualifizierter Trainer. Im Herbst gibt es eine eigene Enquete zu dem Thema, dort wird auch Gebhard Gritsch zu sehen und hören sein, der jahrelang als Fitnesstrainer und Berater dem Betreuerstab des Tennisstars Novak Djokovic angehörte und von Strugl verpflichtet werden konnte.

Starke Persönlichkeiten

Bleiben die Personen. Da gibt es natürlich etliche, die sich in der oberösterreichischen Leichtathletik engagieren. Hervorgehoben seien Josef "Pepi" Schopf und die Werthner-Brüder. Schopf ist der Entdecker und fast der Ziehvater von Weißhaidinger, und die Werthners, Georg und Roland, haben ihre Zehnkampf-Union als österreichweit führenden Nachwuchsverein etabliert – mit einem wohlüberlegten Talentdiagnosesystem und mit sehr viel Einsatz. Pars pro toto. So erklären sich etliche Spitzenplätze, die oberösterreichische Talente zuletzt bei mehreren europäischen Großevents davongetragen haben. Es ist eine Frage der Zeit, bis die eine oder der andere auch in der allgemeinen Klasse reüssieren.

Schon jetzt haben die Talente die Möglichkeit, sich bei Wettkämpfen in Oberösterreich, das heuer beispielsweise alle drei "Austrian Top Meetings" veranstaltet hat, mit der Elite zu messen. "Diese Meetings sind wichtig für junge Athletinnen und Athleten", sagt Wolfgang Adler, der Trainer. "Dort sehen sie, wo sie stehen, dort treffen sie ihre Vorbilder." Vorbilder wie Ivona Dadic, die sich zehn Monate lang auf ihren WM-Einsatz im Siebenkampf und erst danach auf Schokolade konzentriert hat. (Fritz Neumann aus London, 7.8.2017)