Robert Lugar und Martina Schenk, die am Mittwoch aus dem Team Stronach ausgetreten sind, sind die wilden Abgeordneten Nummer zehn und elf. Im Bild verteilen sie Pfeffersprays zur Selbstverteidigung.

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Wien – Sie sitzen im Parlament in der letzten Reihe, melden sich selten zu Wort und haben kein Stimmrecht in Ausschüssen, wo die wichtigste Parlamentsarbeit stattfindet – die fraktionslosen oder "wilden" Abgeordneten.

Derzeit sitzen insgesamt elf solcher Fraktionslosen im Parlament. Am Mittwoch waren mit Martina Schenk und Robert Lugar zwei dazugekommen, sie sind beim Team Stronach ausgetreten, das damit auch seinen Status als Klub und die Förderung verliert. Von ursprünglich elf Abgeordneten bekennen sich noch vier zum Team Stronach. 20 Mitarbeiter der Partei wurden gekündigt.

Derzeit gibt es so viele wilde Abgeordnete wie in keiner Gesetzgebungsperiode zuvor. Parlamentsexperte Werner Zögernitz hat für sie wenig schmeichelhafte Worte über, er bezeichnet sie als "teure Zuhörer". Obwohl sich die fraktionslosen Mandatare kaum einbringen können, verdienen sie 8.755,80 Euro pro Monat – und müssen nicht einmal Parteisteuern zahlen.

Wenig reden, viel zuhören

Aber was dürfen "die Wilden" denn außer zuhören? Im Grunde genommen nicht viel mehr, sagt Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen. Auch fraktionslose Abgeordnete haben Anspruch auf Redezeit bei Plenarsitzungen im Nationalrat. Diese ist bei den "Wilden" allerdings stark beschränkt. Sie dürfen nur halb so lange sprechen wie die Abgeordneten der kleinsten Partei. Zehn Minuten bei einer Regelzeit von 20 Minuten zum Beispiel. Außerdem kommen sie meist als Letzte zu später Stunde ans Rednerpult.

In Ausschüssen, wo unter anderem Gesetzesvorschläge diskutiert und beschlossen werden, dürfen sie zwar anwesend sein, aber nicht mitstimmen. In seltenen Ausnahmefällen kann der Ausschuss dem Abgeordneten ein Rederecht einräumen. "Wenn sie überhaupt teilnehmen, sind die meisten aber nur stille Zuhörer", sagt Zögernitz. Bei vertraulichen Ausschussberatungen dürfen sie nicht einmal anwesend sein. Allein damit sind sie schon aus der Hauptarbeit, die in den Ausschüssen passiert, ausgeschlossen.

Kein Mitbestimmungsrecht

Sie können aber Anträge wie zum Beispiel Gesetzesvorschläge einbringen, allerdings nur, wenn fünf andere Abgeordnete im Parlament auch unterschreiben. Schafft man es als wilder Abgeordneter, die fünf Unterschriften zu sammeln, darf man aber im anschließenden Ausschuss nicht einmal über den eigenen Antrag mitbestimmen. Erst danach, im Plenum, dürfen auch die Fraktionslosen ihre Stimme abgeben – allerdings ohne große Wirkung, sagt Zögernitz, da ja 98 Prozent der Inhalte schon im Vorausschuss entschieden werden.

Marcus Franz, der vom Team Stronach zur ÖVP wechselte, dort aber ausgeschlossen wurde, lässt den Vorwurf, dass fraktionslose Abgeordnete nichts arbeiten würden, nicht auf sich sitzen: "Ich arbeite wesentlich mehr als manch andere Abgeordnete der Parteien", behauptet er. "Ich stehe gegen fünf in der Früh auf, lese Tageszeitungen, rede mit Kollegen und Bürgern über politische Themen und bringe diese dann in Form von Anträgen oder Reden ins Parlament ein." Er würde sich mehr fraktionslose Abgeordnete im Nationalrat wünschen, denn für ihn erfüllen sie den "Ursinn des freien Mandats", bei dem nicht der Klubzwang bestimme, was man denkt und sagt, sondern nur man selber. Ein anderer "Wilder" scheint den Vorwurf des Nichtstuns ebenfalls zu widerlegen: Ruppert Doppler, der 2015 aus der FPÖ ausgeschlossen wurde, ist der König der Anfragen: Niemand stellt so viele Anträge an Ministerien wie er.

Vorrang vor Klubzwang

In der Verfassung werden fraktionslose Abgeordnete mit dem Argument des "freien Mandats" gerechtfertigt. Dieses habe Vorrang vor dem Klubzwang. Niemand soll gezwungen werden einem Klub beizutreten.

Von den mittlerweile elf freien Abgeordneten werden zumindest neun wieder kandidieren: vier auf der Liste Peter Pilz, fünf bei Karl Schnell und seiner Freien Liste Österreich. (Marija Barisic, 10.8.2017)