Ob man das Gefühl hat, dass dieser Staat noch auf dem halbwegs richtigen Weg ist, hängt auch vom Ausgang der Affäre um den bei einem stupiden und schikanösen Hitzemarsch zu Tode gekommenen Bundesheer-Rekruten ab. Ob die Normen des Rechtsstaats, der Demokratie und der Verantwortlichkeit noch gelten.

Die Spitze des Bundesheeres übt sich, in Komplizenschaft mit der rechten Massenpresse, bereits im Nebelwerfen. Es werde alles untersucht, aber man dürfe keine "Pauschalverurteilung" vornehmen, sagt Minister Doskozil. Der Ausbildner, der bei 35 Grad den Marsch angeordnet habe, wird laut Bundesheer nicht suspendiert, weil das eine "Vorverurteilung" wäre. Der Chef der Landstreitkräfte, Franz Reißner meint, "das System" funktioniere gut, aber es gebe "bedauerliche Ausreißer".

Und die Persönlichkeiten, die zu solchen "Ausreißern" führen, sind nicht längst bekannt? Des Antimilitarismus unverdächtige Personen wie Walter Rettenmoser, der frühere Pressesprecher des ÖVP-Verteidigungsministers Lichal, sieht hingegen in einem Brief an den STANDARD ein systemisches Versagen: "Leider gab und gibt es beim Bundesheer – so wie in jedem Bereich der Gesellschaft – Psychopathen. Doch beim Bundesheer kann deren Handeln zu Toten führen. Beim Bundesheer besteht das Problem leider in einem falsch verstandenen Corpsgeist! Diese 'Typen' sind in der Regel für ihr krankes Verhalten in der Truppe und deren Führung längst bekannt und werden weder hinausgeworfen noch – zumindest – von der Ausbildung unserer Kinder abgezogen."

Rettenmoser zu Doskozil: "Gerade ein Minister, der auch aus einem uniformierten Bereich kommt, hätte von Beginn seiner Tätigkeit an wissen müssen, dass da bei der Ausbildung und beim falsch verstandenem Corpsgeist Handlungsbedarf besteht."

Dieser Corpsgeist droht eine rücksichtslose Aufklärung zu behindern. Schon melden sich ja drei anonyme Kompaniekameraden des toten Grundwehrdieners, die in einem in bemerkenswert professionellen PR-Stil verfassten Brief das Ganze herunterspielen und die kritische Presse der "Fake News" bezichtigen. Die "Krone" druckt das begeistert ab und verfasst militärfromme Kommentare.

Andere Bundesheer-Insider richten die Aufmerksamkeit auf den Truppenkörper, bei dem es zu diesem Vorfall kam: Die Garde sei bekannt für Ausbildner mit Menschenverachtung. Es werde nur nichts dagegen unternommen.

Das deckt sich mit den Aussagen eines Ex-Rekruten bei der Garde in Horn. Man müsste bei dieser Einheit einmal genauer hinschauen. Es ist die Pflicht der politischen und militärischen Führung, darauf zu achten, dass problematische Persönlichkeiten ihre Komplexe nicht an Rekruten abarbeiten dürfen.

Das Bundesheer ist die Armee eines demokratischen Rechtsstaats, und das bedeutet nicht, dass "demokratisch" über irgendwelche militärische Maßnahmen entschieden wird, sondern dass die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und der Verantwortlichkeit auch dort gelten.(Hans Rauscher, 11.8.2017)