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Eine Hummel an ihrem Arbeitsplatz, einer Sonneblumenblüte.

Foto: AP/MICHAEL PROBST

Egham – Die schädlichen Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln aus der Gruppe der Neonicotinoide auf das Ökosystem sind gut belegt: Unzählige Untersuchungen haben mittlerweile gezeigt, dass der Einsatz der Mittel Bienen und andere Bestäuber gefährden kann. Nun untersuchten Forscher in einem Laborexperiment die Wirkung des Neonicotinoids Thiamethoxam auf Hummeln und kamen zu einem weiteren drastischen Ergebnis: Der Wirkstoff lässt die Zahl der eierlegenden Königinnen um 26 Prozent schrumpfen.

Für das Überleben einer Population habe das dramatische Folgen, berichten die Forscher um Gemma Baron von der Royal Holloway University of London in Egham im Fachjournal "Nature Ecology & Evolution". Bei verbreitetem Einsatz liege das errechnete Aussterberisiko bei etwa 28 Prozent – und das sei vorsichtig geschätzt.

Simulierter Pestizideinsatz

Für ihre Studie hatten die Forscher eine sensible Phase im Lebenszyklus der Dunklen Erdhummel (Bombus terrestris) betrachtet: Nach dem Winterschlaf sind die Königinnen auf sich allein gestellt, wenn sie ein Nest bauen. Fressfeinde, Parasiten und Krankheiten oder eben Umweltgifte können ihnen dann besonders schwer zusetzen.

Das Team ließ 319 befruchtete Hummelköniginnen überwintern und variierte dabei drei Faktoren: die Länge des Winterschlafes, den Befall mit einem Parasiten und das Vorhandensein des Neonicotinoids Thiamethoxam. Verwendet wurde über zwei Wochen eine Dosis des Wirkstoffes, wie sie durch landwirtschaftlichen Pestizideinsatz realistisch sei, so die Wissenschafter.

Das Ergebnis: Ein kurzer Winterschlaf verringerte die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass eine Hummelkönigin Eier legte. Einen verstärkenden Effekt des Pestizids fanden die Forscher in diesem Fall nicht, ähnliches galt für den Parasitenbefall.

Frühere Eiablage

Bei ausreichendem Winterschlaf war die Zahl der eierlegenden Königinnen bei den mit Thiamethoxam belasteten Tieren aber um 26 Prozent geringer als bei der nicht belasteten Kontrollgruppe. Unter Einfluss der Neonicotinoidbelastung legten die Königinnen ihre Eier zudem früher. Die Forscher erklären dies mit einem Phänomen, das auch von anderen Arten bekannt ist: Angesichts von Feinden oder Umweltstress beginnen manche Tiere früher als üblich mit ihren Fortpflanzungsaktivitäten.

In Modellrechnungen schlossen die Forscher dann aus den gewonnenen Daten auf das Risiko einer Population, wegen des Thiamethoxameinsatzes in einem Gebiet zu verschwinden. "Wenn Königinnen keine Eier produzieren und neue Völker hervorbringen, ist es möglich, dass Hummeln ganz aussterben", so Baron.

Für Dirk Süßenbach vom deutschen Umweltbundesamt (UBA) in Dessau-Roßlau fügt sich die aktuelle Studie in das Bild zahlreicher Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre ein: Immer wieder seien die Gefahren, die von Neonicotinoiden für Hummeln, Bienen und andere bestäubende Insekten ausgehen, aufgezeigt worden. Auch eine andere Beobachtung sei bemerkenswert, so Süßenbach: "Es ist schon auffällig, dass der Rückgang von Bienenpopulationen und anderen Insekten in verschiedenen Regionen in etwa mit dem Beginn des Einsatzes von Neonicotinoiden zusammenfällt."

Umfassendes Verbot gefordert

Die Bedenken gegen den Einsatz von Neonicotinoiden betreffen vor allem drei Eigenschaften: Die mobilen Moleküle werden in alle Pflanzenteile, auch die Blüten und Pollen, aufgenommen und verbreiten sich zudem in der Umwelt. Die Wirkstoffe bleiben sehr lange in der Natur. Und sie sind schon in geringen Mengen wirksam.

Deshalb sei ein weitgehendes Verbot von Neonicotinoiden wünschenswert, wie es die EU-Kommission vorgeschlagen hat, so Süßenbach. Die Wirkstoffe Thiamethoxam, Imidacloprid und Clothianidin sind bereits für das Beizen von Saatgut (mit Ausnahme der Futter- und Zuckerrübe) und als Spritzmittel in blühenden Kulturen verboten, andere Anwendungen sind jedoch noch erlaubt. (APA, red, 14.8.2017)