Auf dem Straßenpflaster liegen Sonnenblumen. Ein Farbfoto zeigt eine junge Frau mit rötlichem Haar und neugierig offenem Blick. Auf einem Stück Karton steht, dass es für Hass keinen Platz geben darf. Seit Sonntag, als die Behörden den Namen des Opfers eines rechtsradikalen Terrorangriffs bekanntgaben, ist im Zentrum von Charlottesville ein provisorischer Schrein für Heather Heyer entstanden – wenige Meter entfernt von der Stelle, an der sie ums Leben kam, Water Street, Ecke Fourth Street, in einer schattigen Fußgängerzone.

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Heather Heyer protestierte gegen den rechten Aufmarsch.
Foto: AP/Steve Helber

Heyer, 32 Jahre alt, war Anwaltsgehilfin einer lokalen Kanzlei, der Miller Law Group. Ihr Mentor sagt, dass sie nicht nur korrekt arbeitete, nicht nur auf das Kleingedruckte zu achten verstand, sondern vor allem auch gut mit Leuten umgehen konnte. Deshalb habe er sie einst eingestellt, sagt Alfred A. Wilson, obwohl ihr jede juristische Ausbildung fehlte, obwohl sie nur einen Highschool-Abschluss besaß und sich als Kellnerin durchschlagen musste. Heather Heyer, so der afroamerikanische Jurist gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, habe Mandanten stets das Gefühl gegeben, dass sie ihr gegenüber in aller Offenheit reden konnten, geradeheraus, ohne Schnörkel, ohne Umschweife.

Sie habe sich, so schildert es ihr Vater, voller Leidenschaft um andere gekümmert. Für andere da zu sein, für sie sei das kein Lippenbekenntnis gewesen, sagt Mark Heyer. "Es war echt. Sie wollte helfen." Marissa Blair, eine Freundin, mit der Heather am Samstag durch die Straßen von Charlottesville zog, nachdem eine Kundgebung von Neonazis im Zuge einer Gewaltorgie abgebrochen wurde, beschreibt sie als einen Menschen, der es nicht mitansehen konnte, wenn Unrecht geschah. Diskriminierung jeglicher Art habe sie nicht ertragen können. Deshalb sei sie mitmarschiert, als es galt, weißen Überlegenheitsfanatikern die Stirn zu bieten.

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James Alex Fields (Zweiter von links) bei der Demonstration.
Foto: ap/alan goffinsk

Dass James Fields, der 20-Jährige aus Ohio, der mit seinem Auto in einen Menschenmenge raste und Heyer dabei tödlich verletzte, der rechtsradikalen Szene zuzuordnen ist, steht inzwischen außer Zweifel. Er war dabei, als sich die extreme Rechte in einem Park im Zentrum von Charlottesville versammelte, um gegen den Abriss eines Denkmals des Bürgerkriegsgenerals Robert E. Lee zu protestieren. Aufnahmen amerikanischer Fernsehsender zeigen, wie er, bewaffnet mit einem Schild samt Runenwappen, in einer Reihe von "Vanguard America" steht, einer Gruppe von Neonazis. Deren Motto "Blut und Boden" war auch einer der Sprechchöre, wie sie die Fanatiker am Wochenende immer wieder aufs Neue skandierten.

Fields wuchs bei einer alleinerziehenden Mutter auf. Seinen Vater, noch vor der Geburt des Jungen bei einem Autounfall verunglückt, hat er nie kennengelernt. In seiner Schule fiel er etwa ab der neunten Klasse durch Sympathien für die Nazis auf. Fields sei bei weitem nicht der einzige Schüler gewesen, der sich für Deutschland und den Zweiten Weltkrieg interessiert habe, blendet einer seiner Lehrer im Gespräch mit der Zeitung "Cincinnati Enquirer" zurück. Mit der Zeit aber habe er sich auf eine Weise hineingesteigert in die Verherrlichung deutscher Kriegssymbole, dass er unverblümt rassistische Gedanken zu äußern begann. Nach der Highschool ging Fields zur Armee, die ihn allerdings nach knapp vier Monaten aus ihren Reihen ausgeschlossen hatte. Er sei aus dem aktiven Dienst entlassen worden, weil er die Ausbildungsstandards nicht erfüllt habe, erklärt eine Sprecherin des Militärs so knapp wie vage.

Nach Recherchen des Southern Poverty Law Center, einer in Alabama ansässigen Organisation von Bürgerrechtlern, handelt es sich bei "Vanguard America" um einen Ableger von "Iron March", einer Onlineplattform, die Beobachter der rechtsradikalen Szene als eine Art Facebook für Nazis einstufen. Auf das Umfeld von "Iron March" geht eine Reihe von Gewalttaten in den vergangenen Monaten zurück. Brandon Russell, ein berüchtigter Neonazi aus Tampa, Mitglied einer Gruppe namens "Atomwaffen Division", hat das Portal erst im Mai während eines Polizeiverhörs als seine digitale Basis charakterisiert. Russell, ein 22-Jähriger, zu dem Fields womöglich enge Kontakte pflegte, war wegen Sprengstoffbesitzes verhaftet worden. (Frank Herrmann aus Charlottesville, 14.8.2017)