Die Gegend um Lousoi am nördlichen Peloponnes.

Foto: ÖAI/ÖAW/E. Baudoin

Das Grabungsteam in Lousoi unter der Leitung von Georg Ladstätter (ÖAI Athen).

Foto: ÖAI/ÖAW/E. Baudoin

Im Jahr 2015 freigelegte Tabernenreihe an der Kuretenstraße von Ephesos.

Foto: ÖAI/ÖAW/N. Gail

Keramikensamble aus Taberne.

Foto: ÖAI/ÖAW/N. Gail

Die beiden Autorinnen Mittwochvormittag an ihrem Arbeitsplatz im ÖAI in Wien.

Foto: ÖAI/ÖAW/M. Binder

Sommerzeit ist für viele Archäologinnen und Archäologen, deren Forschungen sich auf Europa und den Mittelmeerraum konzentrieren, traditionell auch Grabungszeit. So ist auch das Österreichische Archäologische Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in den Sommermonaten üblicherweise eher leer, da sich die Belegschaft auf Feldarbeit zwischen Frankreich und Ostanatolien tummelt.

Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wären unter normalen Umständen nun in Ephesos, dem größten Projekt des Instituts. Sie würden sich dort um Ausgrabungen, die Ausbildung von Studierenden, die Aufarbeitung von Fundmaterial im Depot der Grabung oder um die Restaurierung und Konservierung von Funden aus den laufenden Grabungen aber auch von Bauwerken innerhalb der antiken Siedlung kümmern. In diesem Jahr ist jedoch alles anders, da das Projekt nicht stattfinden kann. Was die ÖAI-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun stattdessen tun, darüber geht es im Folgenden.

Ausgrabungen in Lousoi

Als Teil des archäologischen Teams am Österreichischen Archäologischen Institut sind wir seit 2011 jeden Sommer in Ephesos an Projekten beteiligt. Die letzten Aufenthalte dort dauerten zwischen sechs Wochen und fünf Monaten und prägten dadurch unser Leben. Die großen Datenmengen, die durch diese Feldarbeiten produziert wurden, müssen nun, da vor Ort keine Arbeiten möglich sind, im Büro und in Bibliotheken ausgewertet werden. Daneben bot sich uns heuer jedoch auch die Chance, in ein neues Forschungsprojekt einbezogen zu werden. Wir wurden in Griechenland eingesetzt – in der antiken Kleinstadt Lousoi auf der Peloponnes.

Verschiedene Teile dieser Stadt in einer Hochebene in den Bergen Arkadiens, die in der Antike vor allem dank eines Heiligtums der Artemis bekannt war, werden seit mehreren Jahrzehnten durch das ÖAI erforscht. Die einzelnen Forschungsergebnisse sollen nun in einer städtebaulichen Analyse der gesamten Siedlungsstruktur zusammengeführt werden.

Hellenistischer Bau

Ein Stadtbereich von herausragender Bedeutung für das Leben in der Kleinstadt war ihr öffentliches Zentrum, in dem sich politisch-administrative Gebäude, sowie Sakral- und Memorialbauten befanden. Im Juni und Juli dieses Jahres wurden hier neue Ausgrabungen durchgeführt. Wir waren für die Betreuung der Arbeiten am sogenannten Monument A zuständig, einem bislang nicht erforschten hellenistischen Bau, der in frühbyzantinischer Zeit für reiche Bestattungen genutzt wurde und damit neues Licht auf eine Besiedlungsphase der Hochebene wirft, die bislang weitestgehend unerforscht war.

Feldarbeiten wie diese stehen häufig lediglich am Beginn der endlos erscheinenden Forschungsfragen der archäologischen Wissenschaften. Sie sind aber nur ein Teil einer Vielzahl an weiteren Forschungen, die von Experten verschiedenster Disziplinen am Schreibtisch, im Labor und in den Bibliotheken durchgeführt werden, um von vorläufigen Ergebnissen zu einer fundierten kulturhistorischen Interpretation der dokumentierten Bauten und Artefakte zu gelangen.

Ein Sommer in Wien

Wenn man als Archäologin im Sommer nicht (mehr) auf Grabung ist, was macht man dann? Was die Temperaturen betrifft, merkt man dieses Jahr zwar kaum einen Unterschied, ob man sich in Österreich, Griechenland oder der Türkei befindet. Neben der Arbeit am Feld gehören aber auch die Nachbearbeitung der Dokumentation und das Vorbereiten von Publikationen zum Berufsalltag. Die moderne Archäologie ist eine High-Tech-Angelegenheit, die nicht nur auf der Ausgrabungsstätte stattfindet.

Eine Taberne wird zum Leben erweckt

Bei dem Projekt "Römische Alltagskultur in Ephesos", das von der Kulturabteilung der Stadt Wien gefördert wird und eine Kooperation mit dem Ephesos-Museum in Wien darstellt, geht es um die im Jahr 2015 freigelegten spätantiken Tabernen entlang der Kuretenstraße. Diese wird basierend auf den archäologischen Befunden, Fotos und einem 3D-Laserscan digital rekonstruiert, in Form eines Kurzfilms durch 7reasons visualisiert und erweckt dadurch diesen Teil des antiken Ephesos zum Leben. Der Film soll auf der alljährlichen Festveranstaltung der Gesellschaft Freunde für Ephesos am 23. Oktober präsentiert werden, doch dafür ist noch einiges zu tun.

Wir hatten die Möglichkeit im Jahr 2015 selbst bei der Freilegung den spätantiken Tabernen in Ephesos beteiligt zu sein. Zum einen kann es sich dabei beispielsweise um Verkaufsläden, Schenken und zum anderen auch um Werkstätten handeln. Wichtig für die Zuweisung der Räume zu einem bestimmten Gewerbe beziehungsweise deren Verwendung sind in erster Linie die Funde.

Untypische Herausforderungen

Die Keramikfunde der Tabernen entlang der Kuretenstraße wurden gezeichnet, typologisch eingeordnet und fotografiert. Die Stücke sind sehr gut erhalten und konnten fast vollständig zu ganzen Gefäßen zusammengefügt werden. Jede einzelne Schicht wurde wiederholt überprüft, jeder Befund analysiert und mit den Funden verknüpft, um so viele Informationen wie möglich für die Rekonstruktion zu gewinnen.

Für die digitale Rekonstruktion ist aber nicht nur der archäologische Befund selbst von Bedeutung, sondern es sind auch Vergleichsbeispiele in der Literatur zu suchen und architektonische Überlegungen anzustellen. Dazu kommen für Archäologinnen und Archäologen ganz untypische Herausforderungen wie die Wahl der richtigen Musik. Was für eine Musik wurde wohl in einer spätantiken Taberne gespielt? (Elise Baudoin, Jasmin Scheifinger, 17.8.2017)