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Viele Pensionistinnen verfügen über keine oder eine sehr niedrige eigene Pension – und das, obwohl sie viel Zeit für Kinderbetreuung, die Pflege kranker Angehöriger oder die gemeinsame Landwirtschaft aufgewendet haben.

Foto: dpa/Frank May

Scharfe Kritik klingt anders. Doch ganz fair findet es die 75-Jährige nicht, dass sie heute ohne eigene Pension dasteht. Ihr Mann und sie seien zwar "genügsame" Menschen, aber 1.150 Euro, auf die die beiden mit der Ausgleichszulage kommen, seien schon sehr wenig, schreibt die Mutter dreier Kinder in ihrer Mail an die Pensionsaktivistin Gertraud Burtscher.

Die Initiatorin der "Oma-Revolte" bekommt viele solcher Zuschriften mit Schilderungen eines arbeitsreichen früheren Lebens – und sehr knappen finanziellen Mitteln im Alter. Viele davon stammen von Frauen, die mehrere Kinder haben und deshalb keiner Lohnarbeit nachgehen konnten oder auch wollten. Und von Frauen, die nach Jahren der Kinderbetreuung gleich im Anschluss Eltern oder Schwiegereltern pflegten. Für sie will Burtscher eine nachträgliche Berechnung der Kindererziehungszeiten anhand eines fiktiven Einkommens erstreiten (DER STANDARD berichtete). Die Jüngeren müssen ihre Kämpfe allerdings selbst in Angriff nehmen, sagt die Aktivistin.

Und diese müssen wohl über eine höhere Anrechnung von Kindererziehungszeiten hinausgehen, die als alleinige Maßnahme immer wieder als "Herdprämie" kritisiert wird. Laut Zahlen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger bekommen Frauen 38 Prozent weniger Pension: Frauen erhalten im Schnitt brutto monatlich 904 Euro, bei Männern sind es 1.466 Euro.

Verschlechterung aufgrund Pensionsreform

Ein Ergebnis einer veralteten Geschlechterordnung, das sich nach und nach von selbst korrigieren wird? Danach sieht es derzeit nicht aus, denn die zugrunde liegenden Probleme sind seit Jahrzehnten bekannt – und bestehen nach wie vor: Teilzeitarbeit, eine Lohnschere von 22 Prozent zwischen Männern und Frauen bei den Vollzeitgehältern, fehlende Kinderbetreuungsplätze, unbezahlte Arbeit zum großen Teil in Frauenhand und die schlecht entlohnten "Frauenbranchen", wie der Handel oder die Pflege.

Die Gefahr drohender Altersarmut könnte sich aufgrund steigender Teilzeitraten sogar noch verschärfen: 2015 arbeiteten 47,4 Prozent der Frauen in Teilzeit, 2016 waren es 47,7 Prozent. Sonja Ablinger, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings und frühere SPÖ-Abgeordnete, sieht weitere Verschlechterungen auch aufgrund der Pensionsreform 2003/2004 der schwarz-blauen Koalition. Durch den damals eingeführten lebenslangen Durchrechnungszeitraum in Kombination mit steigenden Teilzeitraten würden Frauen künftig stark verlieren, ist Ablinger überzeugt.

Bis die gängigen Rezepte gegen niedrige Frauenpensionen Wirkung zeigen, dürfte noch einiges an Zeit vergehen. Zwar hat sich der Anteil der betreuten Kleinkinder in den letzten zehn Jahren verdoppelt, trotzdem ist man mit durchschnittlich 25,4 Prozent vom Barcelona-Ziel 33-Prozent-Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen noch weit entfernt.

Pensionsdämpfer

Auch beim Gender-Pay-Gap tut sich nichts: Das Einkommenstransparenzgesetz, nach dem säumige Unternehmen allerdings keine Sanktionen erwarten, sollten sie keine Einkommensberichte vorlegen, änderte bisher nichts an der Lohnschere. Und für eine höhere Beteiligung von Männern an der unbezahlten Familienarbeit warb die damalige Frauenministerin Helga Konrad (SPÖ) schon 1996 unter dem Titel "Ganze Männer machen halbe-halbe". Angekommen ist die Botschaft bis heute nicht. Laut einer Studie aus dem Jahr 2016 arbeiten Frauen pro Woche durchschnittlich 27 Stunden ohne Lohn, Männer elf Stunden. Die Wirtschaftskammer sieht in der Anhebung des Frauenpensionsalters einen wirksamen Hebel.

Die Wifo-Pensionsexpertin Christine Mayrhuber hat sich nach Beschluss der Pensionsreform 2003/2004 angesehen, was diese für Frauen bedeutet. Die getroffenen pensionsdämpfenden Maßnahmen wie die längere Durchrechnung (40 Jahre statt der besten 15 Jahre), die Aufwertung der Versicherungszeiten oder höhere Abschläge bei vorzeitiger Pensionierung können tatsächlich abgefedert werden, wenn fünf Jahre länger gearbeitet wird.

Das Prinzip stimmt also: je mehr Versicherungsjahre, desto geringer der Pension-Gap. "Allerdings lässt das der Arbeitsmarkt derzeit nur sehr schwer zu. Bei den über 50-Jährigen haben wir eine sehr hohe Arbeitslosigkeit – für die Gruppe arbeitsloser Frauen würde die vorzeitige Erhöhung des Frauenpensionsalters den Pension-Gap nicht verkleinern", sagt Mayrhuber. Ob beschäftigte Frauen durch eine vorgezogene Altersangleichung tatsächlich fünf Beschäftigungsjahre gewinnen können, hänge neben der allgemeinen Arbeitsmarktlage auch von den Unternehmen und ihrer Personalpolitik ab. "Arbeitsplätze entstehen jedenfalls nicht einfach durch eine Reform des Gesetzestextes", so Mayrhuber.

Ein grundlegendes Problem für Frauen sieht sie somit darin, dass das österreichische Alterssicherungssystem dem Arbeitsmarkt nachgelagert ist. Ist der Arbeitsmarkt unsicher, die Erwerbsbiografie unterbrochen oder frau schlecht entlohnt, schlägt sich das in der Alterssicherung nieder.

Fehlende Versicherungsjahre

Diesen Zusammenhang sieht Mayrhuber durch die Reformen der letzten Jahre noch zusätzlich gestärkt. Die Expertin hat die Neuzugänge der unselbstständig Beschäftigen hinsichtlich Versicherungsjahre analysiert, und es zeigte sich ein deutliches Bild: Bei den neu zuerkannten Alterspensionen 2016 hatten lediglich zwei Prozent der Frauen 45 Versicherungsjahre zusammen, und damit eine Pensionshöhe von 80 Prozent ihres durchschnittlichen Lebenseinkommens. Bei den Männern waren es 50 Prozent.

Während also die "alten Mütter", wie Gertraud Burtscher ihre eigene Generation nennt, wegen eines früher weitverbreiteten Lebensmodells – Frauen gänzlich zu Hause und Männer gänzlich im Job – heute über wenige finanzielle Mittel verfügen, könnten auch nachfolgende Generationen im Alter feststellen, dass es für sie nicht viel besser aussieht. Wenn Frauen nur ein wenig "dazuverdienen" und Väter nur ein wenig Familienarbeit leisten, wird die Pensionslücke nicht kleiner.

Einen möglichen Weg des Ausgleichs sieht Christine Mayrhuber im verpflichtenden Pensionssplitting: Jene, die keine oder nur wenig Kinderbetreuung leisten und daher stabilere, höhere Einkommen haben, sollten diese Einkommen mit der Person teilen, die die unbezahlte Arbeit leistet. "Das halte ich für eine gute Maßnahme, den Gender-Gap sowohl bei den Erwerbseinkommen als auch bei den Pensionen zu verringern." Es könnte ein Umdenken beim traditionellen Rollenverhalten bewirken, sagt Mayrhuber. (Beate Hausbichler, 17.8.2017)