Vor einer Transplantation körpereigener Stammzellen wird Krebspatienten hochdosiert Melphalan verabreicht.

Foto: Corn

Wien – Spitälern wurde ein in Österreich nicht zugelassenes Krebsmedikament geliefert, am Mittwoch wurde bekannt, dass die Firma Koanaa Healthcare deshalb angezeigt wurde. Das Hanuschspital hatte dessen Arzneimittel mit dem Wirkstoff Melphalan wegen Engpässen beim Original angefordert. Die Ages Medizinmarktaufsicht wusste weder davon etwas, noch weiß sie aktuell von Engpässen. Der STANDARD gibt Antworten auf sich in dem Fall stellende Fragen:

Frage: Warum ist aktuell vom Verdacht der Medikamentenfälschung die Rede, wenn es sich bei dem in Indien hergestellten Melphalan Koanaa nach bisherigen Erkenntnissen um ein wirksames Mittel handeln dürfte?

Antwort: Von Medikamentenfälschung werde auch gesprochen, wenn "falsche Informationen in der Produktinformation gegeben sind" und ein Medikament "nicht gemäß der gesetzlichen Bestimmungen in den Verkehr gebracht wurde", erklärt Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der Ages Medizinmarktaufsicht. Im aktuellen Fall soll Spitälern laut Ages ein in Indien hergestelltes Produkt, das in Österreich nicht zugelassen ist, in einer Packung mit österreichischer Aufmachung verkauft worden sein. Es wurde vom Markt zurückgerufen, die Firma angezeigt. Laut Ages lag keine Importbewilligung für das Arzneimittel vor, das bei Krebserkrankungen des blutbildenden Systems vor einer Transplantation körpereigener Stammzellen in flüssiger Form verabreicht wird. Die Herstellerfirma Koanaa Healthcare mit Sitz in Fischamend gab am Donnerstag mit Verweis auf das nun laufende Verfahren an, nun keine näheren Auskünfte dazu mehr zu geben. Laut Medizinmarktaufsicht liegen aktuell keine Hinweise auf eine Gefährdung von Patienten vor.

Frage: In zwei Spitälern in Österreich kam das Mittel laut Ages bei Patienten zur Anwendung. Der Firma Koanaa Healthcare zufolge wurde die Arznei von Spitälern selbst angefordert. Wie läuft dieses Prozedere ab?

Antwort: Das Wiener Hanuschkrankenhaus, wo sieben Patienten mit Koanaa Melphalan behandelt wurden, hat laut Karin Kirchdorfer, Leiterin der Spitalsapotheke, eine Klinikanforderung gestellt – also einem Importeur den Auftrag erteilt, eine in Österreich nicht zugelassene Arznei einzuführen, da es diese in Österreich nicht gebe. Begründung und Menge würden in einem von Apotheken- und Abteilungsleitung unterzeichneten Formular festgehalten. Die Firma müsse bei der Ages um Einfuhrbewilligung ansuchen. Es sei nicht Sache des Spitals, dann zu prüfen, ob eine Bewilligung erteilt wurde. Man habe aber andere Dokumente geprüft, sagte Kirchdorfer.

Frage: Und hat die Firma angesucht?

Antwort: Bei der Ages Medizinmarktaufsicht beziehungsweise dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) heißt es, dass Koana Healthcare um eine Einfuhrbewilligung angesucht habe, diese aber abgelehnt wurde – unter anderem, da es ein in Europa zugelassenes Medikament mit Melphalan gebe. Prinzipiell kann für einzelne Patienten im Notfall auch ein nicht in Österreich zugelassenes Medikament angefordert werden. Und dabei laut BASG aufgrund der Dringlichkeit vom Ansuchen um Importbewilligung abgesehen werden, allerdings nur, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind – so darf es kein Alternativprodukt in Europa geben.

Frage: Gibt es derzeit einen Engpass mit Melphalan-Medikamenten?

Antwort: Dazu existieren unterschiedliche Angaben: Laut Christa Wirthumer-Hoche von der Medizinmarktaufsicht liegt der Ages ein Schreiben von der Firma Aspen, von der das flüssige Original-Melphalan-Medikament stamme, vor, wonach aktuell kein Engpass bestehe. Karin Kirchdorfer von der Hanusch-Spitalsapotheke zufolge gebe es aber einen Mangel: Aktuell würden im Hanusch drei Patienten Melphalan in flüssiger Form brauchen, es gebe aber nur Medikamente für zwei Patienten, da man Melphalan Koanaa nun nicht verwenden dürfe. Ein Patient müsse warten.

Frage: Kommen Engpässe mit Medikamenten häufig vor?

Antwort: Es gebe ganz allgemein laufend Engpässe, die der Ages wohl nicht in der Form gemeldet würden, sagt Karin Kirchdorfer von der Hanusch-Spitalsapotheke und fügt hinzu: "Die Liste auf der Website der Ages ist nur die Spitze des Eisbergs." Fünfmal pro Woche sei sie mit Medikamentenengpässen konfrontiert – oft gehe es zwar nur um Details wie bestimmte Packungsgrößen, manchmal aber auch um dramatischere Fälle wie jene mit Melphalan. "Patienten, die das Medikament brauchen, brauchen es akut. Je länger sich die Gabe hinauszögert, desto schlechter ist ihre Überlebenschance." (FRAGE & ANTWORT: Gudrun Springer, 18.8.2017)