Zuletzt ging alles sehr rasch. Mitten in der Urlaubszeit meldete Air Berlin Insolvenz an, der Staat sprang notgedrungen ein. Gestrandete Urlauber und Arbeitsplätze, die verloren gehen, machen sich in der Vorwahlzeit gar nicht gut. Die AUA-Mutter Lufthansa hat offenbar schon einen exakten Plan, welche Teile sie jetzt will.

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Wien/Berlin – Air Berlin könnte schneller zerschlagen werden, als gedacht. Schon heute, Freitag, sollen Verhandlungen mit der Lufthansa starten. Ein Abschluss zur Übernahme großer Teile der Strecken, Jets und Beschäftigten könnte schon nächste Woche stehen.

Stefan Tankovits hält Optimismus für verfrüht. "Prinzipiell ist jeder willkommen. Beruhigt sind wir nicht", sagt der Betriebsratschef der Wiener Air-Berlin-Tochter Niki. Jetzt heiße es einmal, die Forderungen von einem neuen Eigentümer abzuwarten. Die Niki-Belegschaft wird heute über die undurchsichtige Lage informiert. Niki ist operativ von der maroden Mutter abhängig. Services wie Ticketing, Marketing oder Vertrieb werden von Air Berlin abgewickelt. Solange offen ist, was in Berlin geschieht, hängt auch Niki in der Luft. Aussagen, dass Niki pleitegefährdet sei, weil Air Berlin ihr Millionen schulde, verweist die Mutter ins Reich der Spekulation.

Bericht von der NIKI-Betriebsversammlung
ORF

Mehr Gewicht am Markt

Ein Szenario nimmt allerdings Gestalt an. Jenes, dass die Lufthansa sich auch Niki mit seinen 850 Mitarbeitern einverleiben will. Für die Lufthansa hätte das Charme, für den Markt weniger, sagte der Luftfahrtexperte Gerald Wissel dem STANDARD. Die Lufthansa werde ihre Marktposition in Europa ausbauen, manche Strecken könnten zum Lufthansa-Monopol werden. Die AUA-Mutter profitiere in mehrfacher Hinsicht: "Sie kann Eurowings größer machen und hält sich unliebsame Konkurrenz vom Leib."

Was den Zeitpunkt der Air-Berlin-Insolvenz betrifft, deutet für Wissel viel darauf hin, dass er bewusst gewählt worden ist, um eine rasche Filetierung zu ermöglichen. Für Niki sieht er gute Chancen: "Die Airline ist ein gewisses Juwel in der Air-Berlin-Gruppe, mit gutem Markt und guter Kostenposition." Die Verflechtung mit der Mutter hält er für kein Problem. Solange nicht klar sei, was mit Niki passieren werde, wäre auch ein denkbares Szenario, aus der Gesellschaft wieder eine richtige Fluglinie zu machen. "Mitarbeiter aus der Verwaltung von Air Berlin könnten zurück zu Niki wechseln."

Deutscher Champion

Dass die Lufthansa gut zum Zug kommen dürfte, ist auch ganz im Interesse der deutschen Regierung. "Wir brauchen einen deutschen Champion im internationalen Luftverkehr", sagte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) der Rheinischen Post. Deswegen sei es "dringend geboten, dass Lufthansa wesentliche Teile von Air Berlin übernehmen kann". Dobrindt hatte sich am Dienstag zuversichtlich gezeigt, dass es kartellrechtlich keine Bedenken geben werde, da die Lufthansa ja nicht die gesamte Air Berlin übernehmen werde.

Das betonte auch Wirtschaftsministerien Brigitte Zypries: "Am Ende wird schon aus kartellrechtlicher Sicht nicht nur eine Airline alleine die Slots und das Unternehmen übernehmen können", sagte sie der "Rheinischen Post"

EU könnte Kartellfragen prüfen

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete im Voraus aus ihrer Freitagausgabe, Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt habe in einem Gespräch mit der Zeitung deutlich gemacht, dass eine Entscheidung über den Verkauf von Air Berlin an die Lufthansa oder andere Interessenten möglicherweise in Brüssel entschieden werde.

Die Wettbewerbshüter haben ein kritisches Auge auf die Vorgänge. "Air Berlin und Lufthansa sind auf vielen Flugstrecken direkte Konkurrenten", betont der Chef der Monopolkommission, Achim Wambach. Und er warnt: "Der 150-Millionen-Euro-Kredit des Staates könnte beihilfenrechtlich kritisch sein." Vergeben wird ihn die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW), der Bund bürgt nur, und Kanzlerin Angela Merkel ist mit "großer, großer Wahrscheinlichkeit" davon überzeugt, dass die Steuerzahler nichts übernehmen müssen. Das sehen in ihrer Partei aber nicht alle so. "Die 150 Millionen Euro werden wir nie wiedersehen", sagt der Wirtschaftssprecher der Unions-Fraktion, Michael Fuchs (CDU).

Insolvenzrecht überarbeiten

Justizminister Heiko Maas (SPD) will das deutsche Insolvenzrecht überarbeiten, um Passagiere zu schützen. Derzeit bekommen sie kein Geld für bereits gebuchte Tickets zurück, wenn eine Airline insolvent ist. Bei Pauschalreisen sind die Veranstalter hingegen gesetzlich verpflichtet, die Zahlungen gegen einen Insolvenzfall zu versichern. Das will Maas angleichen. (rebu, bau, APA 17.8.2017)