Jubel bei Sturm-Trainer Franco Foda.

Foto: APA/Punz

Die Grazer verabschieden sich bei ihren Fans.

Foto: APA/Punz

Liebesgrüße aus Hütteldorf.

Foto: APA/Punz

Wien – Es ist nicht leicht. Reinhard Weidinger, das mittlerweile weltweit geschätzte Orakel, steht nicht zur Verfügung – es ist allein für den SKN St. Pölten zuständig. Da DER STANDARD aber nun einmal nicht gerne allein dasteht, ist für grobe Orientierung ein Blick ins Forum unumgänglich. User Philipp B. meinte und fragte: "Wird schwer, aber warum nicht den ersten Heimsieg in der Saison gegen die Grazer?" Der offensichtlich bestens orientierte normalguy ventilierte: "Sturm soll zurzeit ganz gut spielen, hab ich gehört." In der Tat. Die Grazer hatten einen beinahe fantastischen Saisonstart hingelegt und sollten nach vier Siegen in ebenso vielen Matches mit ordentlich Selbstvertrauen in die Partie im Allianz- oder West-Stadion gehen. Auf Seiten Rapids gab es diesbezüglich vermutlich noch Luft nach oben. Es lief bisher nicht gerade katastrophal, aber auch nicht gut. Erst ein voller Erfolg stand vor dem Schlager der fünften Runde zu Buche.

Stinkefinger-Choreografie

Unter einem bleiernen Hütteldorfer Himmel vibrierte die Atmosphäre jedenfalls ordentlich, war gesättigt mit erwartungsvoller Spannung. Bereits eine Dreiviertelstunde vor Anpfiff war der Geräuschpegel erheblich, die respektiven Fanblöcke zeigten sich gut bei Stimme. Jener von Rapid übte sich in einer altbekannten Volte und schoss sich auf die Boten ein: Journalisten seien die wahren Verbrecher, hieß es auf einem mit Stinkefinger-Choreografie garnierten Spruchband. Und wenn man schon dabei ist: Terroristen auch gleich.

Das Sportliche entwickelte sich von Anfang an durchaus dynamisch, beide Mannschaften orientierten sich ohne allzuviel Wenn und Aber nach vorne. Goran Djuricin hatte Giorgi Kvilitaia als Solospitze aufgeboten, unterstützt wurde der Georgier im 4-5-1 von Boli Bolingoli, Louis Schaub und Alt-Kapitän Steffen Hofmann. Dieser sah sich in der elften Minute auch im Mittelpunkt der ersten brenzligen Situation – nach seinem Zuspiel bäumte sich Grazens Keeper Jörg Siebenhandl erfolgreich gegen den Abschluss Schaubs auf.

Rapid hatte mehr vom Spiel, das Tor aber machte Sturm. Genauer Deni Alar, ja, genau jener Ex-Grüne. Er wurde nach einem so schlicht wie messerscharf vorgetragenem Angriff von Thorsten Röcher final wie vorbildlich bedient. Da auch Philipp Huspek im Aufbau ein Bein im Spiel hatte, war also das gesamte Angriffstrio in Franco Fodas 3-4-3 involviert. Ausgangspunkt der ganzen Chose war übrigens ein krimineller Fehlpass Kvilitaias gewesen. Das Jubeln verbot sich der manierliche Torschütze (17.).

Bruch im Rapid-Spiel

Nach dem Rückstand war ein Bruch im Rapid-Spiel unverkennbar, das bis dahin willig bis ungehobelt daherkam. Man meinte Verunsicherung aufflackern zu sehen. Es ging nicht mehr viel weiter, das Wenige fand noch dazu hauptsächlich in einem belanglosen Niemandsland statt. Sturm stand nach einer halben Stunde kurz vor dem 2:0. Röcher ließ auf der linken Seite, hart an der Outlinie seinen Mann wie einen Gebrauchtwagen stehen, den folgenden Stanglpass verwertete Huspek jedoch nicht. Strebinger war zur Stelle (28.). Gelb gegen Schaub nach hartem Einstieg gegen Alar passte da durchaus ins aus Rapid-Sicht triste Bild (31.).

Wenig später ging Kvilitaia im Zweikampf im Strafraum zu Boden, Schiedsrichter Manuel Schüttengruber sah keinen Grund für eine Strafstoßentscheidung. Rapids georgischer Stürmer ließ dann noch ein elegantes Solo folgen, dehnte dieses jedoch zu lange aus. Vom dritten Grazer ward der grün-weiße Hase gestellt. Ein gutes Zeugnis in der Elf der Gastgeber konnte Bolingoli ausgestellt werden. Der mehr als flinke Belgier stach mehrfach vertikal in Räume, das ist eine Währung, von der im Rapid-Safe nicht allzuviel vorrätig ist. Für die noch am ehesten brauchbaren Passes zeichnete Hofmann verantwortlich. Nach wie vor. Sturm brachte seine Führung also recht entspannt in die Pause, Foda dürfte zufrieden zu seiner Ansprache geschnürt sein. Sockenlos.

Röcher mit der Vorentscheidung

Djuricin brachte Joelinton für den unglücklichen Kivilitaia, doch viel besser aus den Blöcken kamen die Grazer. Kurz nach Wiederbeginn fand ein Ball Huspek, von dieser Tatsache offenbar überrascht, bracht er keinen brauchbaren Abschluss zustande (47.). Nur wenig später verfehlte der 26-Jährige schlitternd nur knapp das Goal (49.). Nach diesem zwiefachen Fanal fiel das 2:0 auch tatsächlich: der hervorragende Röcher köpfelte aus kurzer Distanz ein, markiert wurde er dabei nur höchst nachlässig (53.).

Rapid stand nun vor dem endgültigen Zerfall. Doch es gab ja noch Joelinton. Der Brasilianer wurschtelte sich sehr kompetent an Charalampos Lykogiannis vorbei, die Hereingabe verwertete Stephan Auer (61.). Verdient war das nicht, gut für das Spiel aber durchaus. Philipp Schobesberger kam nach langer Verletzung nun endlich zu einem Comeback – und machte sich sogleich auch bemerkbar. Nach schier unendlichem Durchmarsch musste Lykogiannis zum langen Bein greifen, um den 23-Jährigen zu stoppen (67.). Rapid hatte irgendwie den Weg zurück gefunden, auch die Psychologie hatte nun Grün-Weiß übergestreift.

Stabilitäts-Vorteil

Die für Sturm herausforderndste Phase dieser 90 Minuten war angebrochen. Den Rapidlern war nun Anrennen quer über die Stirnen geschrieben, nur metaphorisch versteht sich. Dass die Gäste sich hielten, war auch des planlosen Ungestüms der Hütteldorfer geschuldet. Aber bei weitem nicht nur. Die Schwarz-Weißen hatten System, ihre Leistungskurve war viel geringeren Schwankungen unterworfen, als jene des Gegners. Das Pressing funktionierte punktuell mehr als ordentlich. Und da das Glück eben doch kein Vogerl ist, schoss Schaub den Ball in der Nachspielzeit aus einem Meter Entfernung zehn Meter über die Querlatte. Abseits wär's zudem gewesen – doppelt hält besser. Während Rapid somit die zweite Niederlage in Serie hinnehmen musste und die Deeskalation des Umfelds nicht gelang, bleibt Sturm auch nach der fünften Runde ohne Punkteverlust. (Michael Robausch, 19.8.2017)

Fußball-Bundesliga – 5. Runde:

SK Rapid Wien – Sturm Graz 1:2 (0:1)
Wien, Allianz Stadion, 21.000, SR Schüttengruber

Torfolge:
0:1 (17.) Alar
0:2 (53.) Röcher
1:2 (60.) Auer

Rapid: Strebinger – Pavelic, M. Hofmann, Wöber, Schrammel (61. Schobesberger) – Auer, Schwab – Schaub, S. Hofmann (76. Keles), Bolingoli – Kvilitaia (46. Joelinton)

Sturm: Siebenhandl – Koch, Maresic, Lykogiannis, Potzmann – Hierländer, Lovric (80. Jeggo) – Huspek (88. Schoissengeyr), Zulj, Röcher – Alar (73. Zulechner)

Gelbe Karten: Schaub, M. Hofmann bzw. Potzmann, Lykogiannis, Hierländer