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Die umstrittenen Gesetzesvorschläge für das Überwachungspaket der Regierung ernten massive Kritik. Knapp 9.000 Personen und Institutionen haben bisher – größtenteils negativen– Stellungnahmen zu den Plänen beim Parlament eingebracht – ein Rekord.

Beschränkung des Briefgeheimnisses

In einer Aussendung lassen die Aktivisten von epicenter.works kein gutes Haar an den geplanten Regelungen. " Die konkreten Gesetzesvorschläge gehen weit über das hinaus, was die Koalition in ihrem Arbeitsprogramm Ende Jänner angekündigt hat. Schon die ursprünglich geplanten Punkte wie der Bundestrojaner, die Vollüberwachung auf Österreichs Straßen oder die Vorratsdatenspeicherung bei Videoüberwachung waren aus grundrechtlicher Sicht sehr problematisch. Jetzt haben wir es zusätzlich mit privatisierter Zensur in Form von Netzsperren, mit der Beschränkung des Briefgeheimnisses und mit neuen Überwachungsmethoden wie etwa dem IMSI-Catcher zu tun", so Thomas Lohninger von epicenter.works.

Kritisiert werden auch "unscharfe Begriffe und schwammige Definitionen". So verweise die vorgeschlagene Regelung zum "Quick Freeze" von Telekommunikations- und Internetverkehrsdaten im Telekommunikationsgesetz auf Anordnungen der Staatsanwaltschaft nach der Strafprozessordnung , deren Rechtsgrundlagen man vergeblich sucht.

Gefährlicher Aktionismus

Wie schon beim Staatsschutzgesetz vor etwa einem Jahr fehlt auch den neuen Vorschlägen etwas: Die Rechtsschutzvorkehrungen sind in den meisten Bereichen entweder mangelhaft oder fehlen gänzlich sobald es um die Ausgestaltung von Überwachungstechnologie geht. Zum Beispiel darf der IMSI-Catcher nur den Standort bestimmen, kann aber tatsächlich viel mehr (u.a. Inhalte von Gesprächen ohne Hilfe der Provider abhören).

Für die Aktivisten übt sich "die Politik sich in gefährlichem Aktionismus, der keine Lösungen bringt." Hier werden "elementare Grundrechte ausgehöhlt und im Falle des Bundestrojaners und der damit verbundenen Nutzung und Finanzierung von Sicherheitslücken sogar die gesamte kritische Infrastruktur des Landes gefährdet", so Christof Tschohl, Obmann von epicenter.works. Er fordert eine Trendumkehr in der Sicherheitsdebatte.

"Online-Durchsuchungen"

Die Internet Service Providers Austria (ISPA) warnen in ihren Stellungnahmen vor verfassungswidrigen "Online-Durchsuchungen" und einer unverhältnismäßigen "Internet-Inhaltsüberwachung". Der geplante Einsatz von Überwachungssoftware durch die Nutzung von Sicherheitslücken untergrabe Cybersicherheitsstandards und das Vertrauen in den österreichischen Wirtschaftsstandort. Das vorgesehene "quick – freeze"-Modell, mit dem Daten auf Vorrat gespeichert werden sollen, entspreche nicht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Kritik gibt es auch an der geplanten Registrierung von Prepaid-SIM-Karten. Über fünf Millionen solcher Karten sind derzeit im Umlauf. "Dem Aufwand einer Registrierung steht kein konkreter Nutzen entgegen", monieren die Internet- und Telekom-Anbieter und verweisen auf internationale Beispiele. In Mexiko wurde die Registrierpflicht nach drei Jahren wieder aufgehoben, Großbritannien habe von ähnlichen Plänen wieder Abstand genommen. Kriminelle und Terroristen würden eine Registrierpflicht ohnehin mit falschen Identitäten, gestohlenen Karten oder über WLAN-Hotspots umgehen, die Ermittlungen würden dadurch sogar verlangsamt. Zudem fordern die Internet-Betreiber einen Kostenersatz für den Aufwand der Überwachungsmaßnahmen.


Kritik kommt auch vom Österreichischen Städtebund. Dort hält man den Entwurf zur Änderung des Sicherheitsgesetzes in Bezug auf die Weiterverwendung von Bild- und Tondaten für "grundrechtlich wie datenschutzrechtlich überschießend". Weiters wird in einigen der Stellungnahmen auch darauf hingewiesen, dass mit einer neuen Bestimmung in der Strafprozessordnung das Briefgeheimnis weitgehend aufgehoben würde.

Der Oberste Gerichtshof mahnt im Zusammenhang mit der geplanten geografischen Ortung mit Hilfe eines sogenannten IMSI-Catchers eine "legistische Klarstellung", dass solche Standortbestimmungen nur mit gerichtlicher Bewilligung angeordnet werden können. Kritisch sieht der Oberste Gerichtshof auch die geplante Verwendung von Schadsoftware durch den Staat – Stichwort "Bundestrojaner". Dies sei laut Experten "zum einen de facto kaum machbar und zum anderen mit gravierenden negativen Begleiterscheinungen verbunden". Der Oberste Gerichtshof führt etwa die "Förderung von Internetkriminalität" an. "Diese geplante Neuregelung lässt demnach kaum praktische Bedeutung erwarten", heißt es abschließend in der Stellungnahme des Gerichtshofs.

(red, 21.8. 2017)