Stellen Sie sich folgenden, szenischen Dialog vor:

A: "Jetzt setz dich da vorne mal hin. Ja, genau dort. Und dann schau mal in die Landschaft vor dir."

B: "Aber da gibt's doch gar nichts zu sehen!"

A: "Doch! Und wenn nicht, dann tu so, als ob du dir keinen schöneren Ort auf der Welt vorstellen könntest."

B: "Okay, okay." (Geht auf den angewiesenen Platz) "Passt das so?"

A: "Nein, du sollst nicht in die Kamera schauen, nicht in die Kamera!"

B: "Nicht?"

A (leicht genervt): "Nein, schau in die herrliche Landschaft vor dir, das hab ich doch gesagt."

B: "Meinetwegen." (Dreht sich um, blickt in die Landschaft)

A: "Stopp! Hast du vielleicht noch irgendetwas Rotes?"

B (dreht sich zur Kamera): "Was Rotes?"

A: "Ja, was Rotes. Ein Kleidungsstück. Eine Weste, einen roten Pullover, ein Kleid, nur rot sollte es sein. Rot gibt dem Foto das gewisse Etwas!"

B: "Hm, im Auto liegt noch meine Regenjacke. Die ist rot, knallig rot."

A: "Super! Kannst du die mal schnell anziehen?"

B: "Aber es regnet doch gar nicht!"

A (noch genervter): "Es muss doch nur rot sein, vollkommen egal, ob es regnet oder nicht!"

B schüttelt den Kopf, holt schweigend die Jacke, setzt sich wieder an den Platz.

A (freudig): "Perfekt! Und jetzt bitte lächeln."

B: "Aber ich schau doch gar nicht in die Kamera!"

A murmelt Unverständliches vor sich hin und drückt auf den Auslöser.

Blick in die Weite

So oder so ähnlich müssen sich die Dialoge abgespielt haben, die den folgenden Fotos vorausgegangen sind. Menschen sitzen mit dem Rücken zur Kamera und schauen fasziniert in die Umgebung. Doch nicht immer ist die Landschaft sehenswert. Da werden auch kahle Berghänge, Sanddünen und die Ufer kleiner Bäche bewundert. 

Eine skurrile Sammlung alter Postkarten, die ihre Wirkung erst durch die gnadenlose Häufung der immer wieder gleichen Posen und Kameraeinstellungen entfaltet.

In den Wäldern von Aspen Valley, Colorado.
Foto: SwellMap/Flickr
Ein junger Mann siniert in menschenleerer Umgebung vor sich hin. Ort: Bucks County, Pennsylvania.
Foto: SwellMap/Flickr
Ein tiefer Blick in den bunten Wald von Quebec.
Foto: SwellMap/Flickr
Jede Menge Felsen da drüben.
Foto: SwellMap/Flickr
Auf der anderen Seite ist es immer grüner. In die Landschaft schauen mit vorzüglichen Haltungsnoten.
Foto: SwellMap/Flickr
Betrachten Sie das Bild nicht allzu lange, falls Sie zu Depressionen neigen.
Foto: SwellMap/Flickr
Die mysteriöse Lady in den Wäldern von Michigan.
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Ein wenig verloren in der Weite von Connecticut.
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Ein gemütliches Plätzchen am Felsen neben der Straße.
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Rotkäppchen sucht das Haus der Großmutter.
Foto: SwellMap/Flickr
Heut seh'n wir uns die Leute an, die auch auf unsrer Piste fahr'n.
Foto: SwellMap/Flickr
Unglaublich wie rasch diese Bäume wachsen – man kann ihnen förmlich dabei zusehen.
Foto: SwellMap/Flickr
Und nun der Höhepunkt des heutigen Tages: eine Düne auf Cape Cod, Massachusetts.
Foto: SwellMap/Flickr
Super! Vielleicht gehst du noch einen kleinen Schritt weiter nach vorne, dann ist es perfekt!
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Der Beginn eines Horrorfilms.
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Kontemplative Betrachtung des alten Gemäuers.
Foto: SwellMap/Flickr
Es ist ein schönes Land, ein bisserl trostlos, aber schön.
Foto: SwellMap/Flickr
Ein Blick auf Bäume, die mit Agent Orange, einem chemischen Entlaubungsmittel, behandelt wurden.
Foto: SwellMap/Flickr

Es gibt noch eine große Anzahl solcher kurioser Postkarten. Sie können die vollständige Sammlung der "Onlooker Postcards" auf Flickr begutachten. (Kurt Tutschek, 24.8.2017)

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