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Foto: AP Photo/Martin Meissner

Noch bevor Deutschlands Bundeskanzlerin ihre Eröffnungsrede gehalten hatte, taten Kommentatoren in Foren und auf sozialen Medien Angela Merkels erstmaligen Besuch der Branchenmesse Gamescom, vergangenen Dienstag, als Wahlkampfaktion ab. Nicht zu unrecht, doch was den Kritikern dabei entging, ist die Symbolkraft und Außenwirkung dieses Auftritts.

Noch nie zuvor hatte in Europa oder den USA ein staatliches Oberhaupt eine Videospielmesse eröffnet. Vor Ort und im Livestream konnte die Öffentlichkeit verfolgen, wie die vielleicht einflussreichste Politikern der Welt eine Rede über die wirtschaftliche und soziale Bedeutung von "Super Mario" und Co. hielt und Games als Kulturgut unserer Gesellschaft deklarierte. Und das zum Start der mit rund 350.000 erwarteten Besuchern größten Gamesveranstaltung der Welt.

Wendepunkt

Dass dies 45 Jahre nach Pong längst überfällig war, steht außer Frage. In Deutschland spielt einer Studie des Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware nach etwa jeder zweite über 14-Jährige auf dem Smartphone, dem PC oder auf der Konsole. Weltweit sind es laut Marktforscher Newzoo bereits mehr als zwei Milliarden Menschen.

Und dennoch waren Merkels späte Worte über Games als "Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor allergrößter Bedeutung" so wichtig. Sie stellen einen Wendepunkt in der Art und Weise dar, wie Politiker nach Jahrzehnten der Killerspieldebatten über Games sprechen und sprechen müssen. Und wenn Merkel – in ihrer Lieblingssignalfarbe gekleidet – auf einmal mit Playstation-Controller in der Hand und VR-Brille am Kopf eine Brücke zur Generation Nichtspieler schlägt, ist die Hoffnung groß, dass auch Taten folgen werden.

Games als Chance

Von zusätzlichen Förderungen für Spielentwickler war die Rede und wie Technologien, die für Games kreiert werden, auch andere Branchen beflügeln können. Nichts davon waren neue Erkenntnisse, doch dies als Bundeskanzlerin auszusprechen, hat 2017 deshalb nicht weniger Bedeutung. Nach Merkels Auftritt ist zumindest die Hoffnung heute größer als gestern, dass dieses Massenmedium Games bei politischen Entscheidern künftig nicht als unbequemes Neuland oder soziale Nische angesehen wird, sondern als Chance, die Gesellschaft kulturell, technologisch und wirtschaftlich weiterzuentwickeln. (Zsolt Wilhelm, 23.8.2017)