Wien – Vom Barkeeper, der um die Häuser zieht, zum Salafisten, der keinen Alkohol trinkt: Was wie die Parodie eines Werbeslogans für eine Weiterbildungseinrichtung klingt, ist in Wien Realität. Martin ist zum Islam konvertiert und legt die Religion so streng aus wie nur wenige Moslems in Österreich: Er nimmt den Koran wörtlich. Das "Wort Allahs" sei "fehlerfrei", darum könne man den Islam auch nicht reformieren, sagt er in "Am Schauplatz – Martin betet jetzt zu Allah".

"Er selbst lehnt die Bezeichnung Salafist ja ab", erklärt Julia Kovarik, die Martin für die ORF-Reportagereihe porträtierte: Der gebürtige Wiener ist vor zehn Jahren zum Islam konvertiert. Seine Frau Amela, ein ehemaliges Model, hat er in der Moschee kennengelernt. Bereits nach zwei Treffen wurde geheiratet. Amela hatte es satt, "immer nur nach Äußerlichkeiten beurteilt zu werden", sagt sie. Jetzt trägt sie ein Kopftuch.

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ORF-Journalistin Kovarik knüpft mit der Sendung an ihre Am Schauplatz -Reihe Kampf im Park an, als sie in zwei Teilen die Rivalität zwischen tschetschenischen und afghanischen Jugendlichen schilderte. Eigentlich wollte sie eine weitere Reportage über Jugendliche machen, die sich vom Islam angezogen fühlen. Dafür habe sie rund 40 Konvertiten getroffen, die vor dem Dreh aber allesamt einen Rückzieher machten, sagt Kovarik zum STANDARD.

Über eine Moschee ist sie dann auf Martin gestoßen. Und seinen tunesischen Freund Hassan. Einst waren sie Trinkkumpanen, jetzt eint sie der Wunsch nach dem Kalifat mitsamt der Scharia. Handabhacken inklusive. Das würde Verbrechen reduzieren. Mit Jihadismus hätten sie aber nichts am Hut, betonen sie.

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Hassan (oben im Bild links) ist stolz darauf, Salafist genannt zu werden. Er spricht Jugendliche in Parks und Moscheen an, um ihnen den "wahren Islam" näherzubringen, was er sogar als Prävention vor Radikalisierung sieht. Ein Wettlauf mit den "Hasspredigern", denen er zuvorkommen möchte. Vom Terrorismus grenzt er sich ab: "Das sind Trottel, die sich in die Luft sprengen."

Solche Reportagen sind für Kovarik Gratwanderungen: "Das ist nicht einfach." Einerseits bekämen die Protagonisten eine Plattform für ihre Ideen, andererseits gehe es um das Darstellen gesellschaftliche Realitäten. Wichtig sei hier die Einordnung: "Wir müssen möglichst differenziert berichten." (Oliver Mark, 24.8.2017)

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