Barcelona – Die spanische Justiz hat einen schweren Fehler im Umgang mit dem mutmaßlichen Kopf der Terrorzelle in Katalonien eingeräumt. Ein Richter habe die Abschiebung von Imam Abdelbaki Es Satty im März 2015 gestoppt, erklärten die Behörden am Mittwoch. In der Entscheidung habe es geheißen, der Imam stelle keine "ausreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung dar".

"Um Integration bemüht"

Der aus Marokko stammende Es Satty habe zum Zeitpunkt seiner geplanten Abschiebung eine vierjährige Haftstrafe wegen Drogenhandels verbüßt, hieß es. Der zuständige Richter habe jedoch geurteilt, der Imam sei "um eine Integration in die spanische Gesellschaft" bemüht. Die Behörden bestätigten damit einen Bericht der Zeitung "El Mundo". Es Satty gilt als Drahtzieher hinter den Anschlägen in Katalonien mit 15 Toten und mehr als 120 Verletzten. Nach dem Imam wurde nach den Anschlägen tagelang gefahndet.

Tickets nach Brüssel

Die spanische Polizei hat in den Trümmern des Hauses der Terrorzelle mehrere Flugtickets entdeckt, die auf Beziehungen der Gruppe ins Ausland hindeuten. In dem Haus im katalanischen Ort Alcanar südlich von Barcelona, in dem es kurz vor den Anschlägen am vergangenen Mittwoch zu einer Explosion gekommen war, seien unter anderem Flugtickets nach Brüssel auf den Namen des Imams Abdelbaki Es Satty gefunden worden, berichteten Medien unter Berufung auf Ermittlerkreise.

Imam getötet

Der Imam gilt als Kopf der Terrorzelle. Er starb letzten Erkenntnissen zufolge bei der Explosion in Alcanar. Dass der 45-Jährige sich zumindest Anfang 2016 zeitweise in Belgien aufgehalten hatte, war bekannt. Das war kurz nach den Anschlägen in Katalonien von der Staatsanwaltschaft in Brüssel sowie vom Bürgermeister von Vilvoorde nördlich der belgischen Hauptstadt, Hans Bonte, bestätigt worden. Eine Verbindung des Mannes zu den islamistischen Anschlägen von Brüssel am 22. März 2016, bei denen 32 Menschen gestorben sind, sei aber nicht bekannt, hieß es aus Belgien.

Beim Anschlag mit einem Lieferwagen auf Barcelonas Flaniermeile Las Ramblas und einer vereitelten Attacke im Küstenort Cambrils wurden am vergangenen Donnerstag insgesamt 15 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt. Die dafür verantwortliche Terrorzelle gilt als zerschlagen. Acht mutmaßliche Terroristen sind tot, gegen weitere drei laufen Ermittlungen, ein vierter Mann wurde vom Ermittlungsrichter am Mittwochabend wieder auf freien Fuß gesetzt.

In dem Haus in Alcanar wurden den Medienberichten zufolge auch Papiere, ein Sprengstoffgürtel sowie Material zur Herstellung von Bomben gefunden. Einer der Verdächtigen sagte am Dienstag vor dem Ermittlungsrichter aus, die Gruppe habe auch größere Sprengstoffanschläge in Barcelona geplant.

Verdächtige vor Anschlag zwei Tage in Paris

Kurz vor dem islamistischen Terroranschlag von Barcelona sind einige der Verdächtigen zwei Tage lang im Großraum Paris gewesen. Sie hätten in einem Hotel in dem Pariser Vorort Malakoff übernachtet. Der Grund dieser Kurzreise vom 11. bis zum 12. August sei bisher unklar, sagte Antiterrorstaatsanwalt François Molins am Mittwoch in Paris. Es sei aber nicht darum gegangen, "einen Fotoapparat bei Fnac (Elektronikkette, Anm.) zu kaufen", hieß es weiter.

Frankreich hat eigene Antiterrorermittlungen eingeleitet, da bei dem Anschlag in Spanien zahlreiche Franzosen verletzt worden sind. Innenminister Gérard Collomb hat bereits am Dienstag bestätigt, dass ein von der Terrorzelle in Katalonien genutzter Audi A3 im Pariser Großraum geblitzt worden war. Mit dem Fahrzeug waren nach Angaben der spanischen Ermittler fünf mutmaßliche Terroristen am vergangenen Freitag im Badeort Cambrils unterwegs. Die Männer wollten dort nach Ansicht der spanischen Polizei einen größeren Anschlag begehen.

Der französische Chefermittler äußerte sich nicht im Detail zu den Verdächtigen von Paris, es handle sich wohl um zwei bis drei Menschen, aber das müsse nachgeprüft werden. Untersucht werde unter anderem, ob die Verdächtigen in Frankreich mit anderen Personen in Kontakt waren, sagte Molins. (APA, 23.8.2017)