Vor zwanzig Jahren sind wir zu einer Reise auf der "toxic dreams" aufgebrochen. Wir wollten einen Namen, der mehr nach einer Indie-Band klingt als nach einer Performance-Truppe: also auf der Linie von Sonic Youth oder Radiohead. Später bereuten wir diese Titelwahl, denn bei jedem Interview sahen wir uns mit der Frage konfrontiert: "Warum 'toxic dreams'?"

Zwanzig Jahre später fanden wir, es wäre an der Zeit, für ein fahrendes Projekt – mit "Moby Dick" als unserem Text und unsere Straßenkarte. Zum einen, weil wir zumindest einmal dieses Indie-Band-Leben leben wollten. Zum anderen, weil sich unser aktueller Arbeitszyklus "The New Old" seinem Ende nähert und es Zeit ist, in die 1960er-Jahre zurückzukehren: für drei Wochen so zu tun, als wären wir eine fahrende Hippie-Performance-Gruppe. Immerhin sind Grotowski und Barba inzwischen genau so alte Hüte wie Shakespeare.

Von 28. August bis 17. September wird also ein Wohnmobil zu unserem Schiff für eine siebenköpfige Besatzung. Neben dem künstlerischen Leiter Yosi Wanunu und der Produzentin Kornelia Kilga sind das der Dramaturg Peter Stamer, die Performer Susanne Gschwendtner, Isabella-Nora Händler und Markus Zett, sowie der Musiker Michael Strohmann. In Wien zurück bleibt toxic-dreams-Performerin Anna Mendelssohn. Angesteuert werden die geografischen Mittelpunkte der österreichischen Bundesländer (siehe Karte), bis wir am Ende im Mittelpunkt Österreichs (Bad Aussee) anlegen. Jedem dieser Orte ist eine Figur oder eine signifikante Episode aus "Moby Dick" zugeordnet, die wir dort genauer beleuchten wollen.

Die Reise führt zu den geografischen Mittelpunkten der Bundesländer
Grafik: toxic dreams

Anders als frühere fahrende Schausteller-Truppen haben wir also das fertige Stück noch nicht im Gepäck, um es an verschiedenen Orten zu zeigen, sondern lassen uns von räumlichen Gegebenheiten, Begegnungen und Texten inspirieren. Gearbeitet wird an einem Roadmovie auf den Spuren von Herman Melvilles opus magnum – einer mal augenzwinkernden, mal kritischen, aber immer neugierigen Appropriation eines der wichtigsten Texte der amerikanischen Literatur.

Die Performance-Truppe toxic dreams jagt ihren eigenen Wal.
Foto: toxic dreams / M. Strohmann

The King of Too Much

Als wir mit unserer Performance-Truppe anfingen, war die übliche Reaktion: Ihr macht viel zu viel! Die Dramaturgiepolizei mochte das Chaos nicht, das wir auf die Bühne brachten. Zu viel Text, zu viele Requisiten, zu viel Musik, zu viele Stile und Formen für eine einzelne Show. Aber genau das war unsere raison d'être, dieses Viel-zu-viel. Das war und ist immer noch unser Pynchonisches Theater.

Zwanzig Jahre später haben wir uns entschieden, mit Herman Melville zu feiern, dem "King of Too Much". Schließlich ist "Moby Dick" ein Buch über so ziemlich alles. Wir nennen unser Projekt "Moby Dick – The Quest for the Austrian Whale" und begeben uns nun auf die Reise und auf die Jagd – quer durch Österreich, in neun Stationen. Dieser Blog ist eines unserer Logbücher. Es heißt also dranbleiben, Landratten. (Markus Zett, Yosi Wanunu, 28.08.2017)