Der Malaria-Parasit hat vermutlich am stärksten auf die Evolution des menschlichen Genoms eingewirkt, sagen Forscher.

Foto: wikipedia/PublicDomain

Schweizer Forscher haben mit Kollegen einen bisher unbekannten Trick des Immunsystems entdeckt, Antikörper gegen Malaria-Erreger zu produzieren. Vermutlich handelt es sich um eine Fähigkeit des Immunsystems, die auch Inspiration für neue Medikamente liefern könnte.

Ein wichtiger Grundpfeiler des Immunsystems sind Antikörper, die Krankheitserreger und andere Fremdkörper erkennen und für den Angriff durch Immunzellen markieren. Wissenschafter um Antonio Lanzavecchia von der Universita della Svizzera Italiana (USI) sind mit Kollegen aus der Schweiz und Afrika auf spezielle Antikörper gestoßen, die auf einen bisher unbekannten Trick des Immunsystems hindeuten.

Bisher ging man davon aus, dass die große Vielfalt an Antikörpern entsteht, indem im ersten Schritt drei Typen von Basis-Elementen zufällig zusammengepuzzlet werden. Im Zuge der Reifung der Antikörper findet dann eine Auswahl für diejenigen statt, die am besten an den jeweiligen Krankheitserreger binden.

Spezielle Antikörper

Die drei Basis-Elemente (V, D und J Gensegmente genannt) liegen im menschlichen Genom in unmittelbarer Nähe zueinander. Bei Einwohnern von Malaria-Gebieten entdeckten die Forschenden jedoch spezielle Antikörper, die ein völlig anderes Fragment aus einer anderen Ecke des Erbguts enthalten. Dieses Zusatzelement namens LAIR1 erlaubt ihnen, effizient an Blutzellen zu binden, die von Malaria-Erregern befallen sind.

Wie die Wissenschafter im Fachblatt "Nature" berichten, besitzen sogar rund zehn Prozent der Einwohner endemischer Malaria-Gebiete in West- und Ostafrika solche Spezial-Antikörper. Nicht jedoch Europäer, die noch nie mit Malaria in Kontakt waren.

Die Entdeckung hat eine viel größere Tragweite als nur für die Malariaforschung: Sie deutet darauf hin, dass das Immunsystem generell auch weitere Gen-Fragmente von völlig anderen Stellen des Erbguts in die Antikörper einbauen könnte. Dadurch entsteht eine noch größere Vielfalt an Antikörpern, aus denen wiederum die effektivsten Kandidaten ausgewählt werden. Ein bisher völlig unbekannter Prozess.

Auf Evolution eingewirkt

Die These, dass es sich um einen generellen Mechanismus handelt, unterstützt die weitere Beobachtung der Wissenschafter, dass menschliche B-Zellen zumindest die Bauanleitung für solche Spezial-Antikörper mit Zusatzelementen enthalten. Die Antikörper selbst konnten sie jedoch noch nicht nachweisen.

"Es ist extrem schwierig, diese Antikörper zu finden, wenn das Ziel nicht bekannt ist – eben weil sie selektioniert werden", erklärte Lanzavecchia. Der Fund der Spezial-Antikörper gegen Malaria wäre auch nicht gelungen, wenn man nicht gewusst hätte, wogegen sie sich richten, so der Forscher.

"Es ist nicht erstaunlich, dass wir das im Kontext von Malaria-exponierten Menschen entdeckt haben", kommentierte auch Studienautorin Claudia Daubenberger vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institute (Swiss TPH). "Der Malaria-Parasit ist unter allen Krankheitserregern derjenige, der vermutlich am stärksten auf die Evolution des menschlichen Genoms eingewirkt hat."

Neue Medikamente

Der Parasit erzeugt einen evolutiven Selektionsdruck, der beispielsweise dazu führt, dass Sichelzellanämie – eine erbliche Störung der Blutbildung – in Malaria-Gebieten wesentlich häufiger vorkommt. Diese Störung schützt die Betroffenen nämlich vor den tödlichen Folgen einer Malariainfektion.

Zwar ist der Mechanismus, wie genau neue Fragmente in die Antikörper eingebaut werden, noch unbekannt. Die Studie zeigt jedoch neue Wege auf, therapeutische Antikörper zu gestalten, indem man speziell gewählte Elemente neu hinzufügt – die dann auch in korrekter dreidimensionaler Struktur produziert werden. Mit diesem Trick ließen sich also allenfalls neue Medikamente entwickeln. (APA, 24.8.2017)