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Die Deutsche Post fand keinen Autokonzern, der ihr Elektrotransporter für Innenstädte bauen wollte. Also konstruierte sie diese eben selber: Der StreetScooter hat dieser Tage den Dienst angetreten.

Foto: Reuters

Das Ende des Diesel- und des Benzinmotors ist in Sicht." Diese Aussage stammt nicht aus dem Pamphlet einer radikalen grünen Organisation, sondern ist der Titel einer Analyse im wirtschaftsliberalen Economist vom 12. August. Sie folgt ähnlichen Erkenntnissen der deutschen Wirtschaftswoche und des englischen Guardian.

Unter Pariser Standards

Ursache für die Ankündigung des Endes der Verbrennungsmotoren ist, dass sie im Straßentest wesentlich schlechter abschneiden als im Labor und auch neue Motoren nicht einmal die heutigen, aus der Perspektive des Klimavertrags von Paris wenig ehrgeizigen Standards erreichen.

Die Luftverschmutzung ist laut der Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit für 3,7 Millionen Tote im Jahr verantwortlich. Benzin und Diesel unterscheiden sich spezifisch im Ausstoß von Kohlenstoff, Stickoxyden und Feinstaub, aber beide sind im städtischen Gebiet Ursache von Krankheiten und verkürzter Lebensdauer der Menschen.

Europa hat im Vertrag von Paris unterschrieben, die Klimaerwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten. Dafür ist bis 2050 eine Reduktion der Emissionen um mindestens 80 Prozent notwendig. Da die verbleibenden 20 Prozent für Industrie, Notfälle und einkommensschwache Regionen reserviert werden müssen, darf der Verkehrssektor dann nichts mehr emittieren. Heute ist der Verkehr für mehr als ein Viertel der Emissionen verantwortlich, und sie steigen im Unterschied zu anderen Sektoren deutlich.

Keine Konzepte

Weder auf europäischer Ebene noch bei den Mitgliedsländern der Europäischen Union sind Konzepte verfügbar, die der Radikalität der notwendigen Veränderungen entsprechen. Dennoch ist das Ziel erreichbar, und eine klimaverträgliche Verkehrspolitik kann – eingebaut in einen strategischen Ansatz – sozialen Ausgleich, neue Arbeitsplätze und wirtschaftliche Dynamik gleichzeitig begünstigen.

Zwei Extrempositionen sind zu vermeiden: erstens die Behinderung von Mobilität. Und zweitens die Leugnung des Klimaproblems. Am wichtigsten ist es, falsche Preissignale und Sackgassen zu vermeiden und offen für neue Lösungen zu sein. Falsche Preissignale sind zum Beispiel Subventionen für fossile Energie (etwa 100 Milliarden Euro in Europa), Sackgassen sind staatliche Prämien für etwas "bessere" Motoren einer Technologie, die nie mit dem Klimaziel vereinbar sein kann.

Umstiegsprämien werden zum Beispiel in Bayern diskutiert und wurden vom ökosozialen Forum vorgeschlagen. Neue Lösungen können Elektro- oder Wasserstoffmotoren sein, bessere Städteplanung, Fahrrad und öffentlicher Verkehr. Eine Starthilfe für den raschen Umstieg wären verpflichtende Solartankstellen in Garagen, öffentlichen Gebäuden und allen existierenden Tankstellen, verpflichtende Elektroantriebe bei innerstädtischen Transportleistungen, Bussen und Dienstwägen sowie auch eine Ökologisierung des Pendlerpauschales.

Für die Frage, wie teuer das Elektroauto ist, gibt es drei Blickwinkel: Die "kurzsichtig individuelle Perspektive" betont den Preis bei der Anschaffung. Die "aufgeklärte Perspektive" berücksichtigt die Kosten im Verbrauch und die geringen Reparaturen. Die "gesellschaftliche Perspektive" bezieht die Folgekosten inklusive Gesundheit und Klimawandel ein. Diese Perspektive sollte auch für jeden Einzelnen relevant sein, da erstens auch Krankheiten Individuen betreffen und das Lebensglück verringern und zweitens Unwetter und schmelzende Gletscher auch höhere Steuern erfordern.

In der "aufgeklärten Perspektive" ist das Elektroauto schon heute günstiger, besonders wenn der Strom aus erneuerbarer Energie gewonnen wird. Die Reichweite sollte bei allen neuen Modellen spätestens nächstes Jahr 300 Kilometer übersteigen.

Klarer Rückstand

In der "gesellschaftlichen Perspektive" sind das Benzin- und auch das Dieselauto schon heute klar im Rückstand, umso mehr, wenn auch die Herstellung ökologischen Regulierungen unterzogen wird. Nicht umsonst setzt eine Stadt nach der anderen Limits für den Individualverkehr mit Verbrennungsmotoren: In Paris, London, Hamburg, Oslo ist das der Fall. Großbritannien, Frankreich und Kalifornien erwägen Verbote bis 2030 oder 2040. Auf Konzernebene der Hersteller hat Volvo den Ausstieg vollzogen, Volkswagen noch für heuer eine Entscheidung angekündigt.

Technologieführer

Wann die Zeitenwende in der "kurzfristigen Perspektive" – im Anschaffungspreis eines neuen Autos – sichtbar wird, entscheidet die Politik. Je früher, desto besser für Gesundheit, sozial schwächere Schichten und die Wettbewerbsfähigkeit. Denn der Vorreiter gewinnt, und der Nachzügler hat die Kosten. Europa sollte eine Technologieführerschaft in diesem Bereich anstreben und sie nicht bei teuren Autos der amerikanischen Firma Tesla und bei billigen den chinesischen Erzeugern überlassen. (Karl Aiginger, 28.8.2017)